342 Fünftes Buch: Die Gemeinden und die Kommunalverbände. I. Kapitel. 8 82.
mehrheit gewählt; die Wahlen bedürfen der Bestätigung des Landrathes, vor welcher der Bürger-
meister gutachtlich zu hören ist. Die Bestätigung kann nur mit Zustimmung des Kreisaus-
schusses versagt werden. In diesem Falle ist eine Neuwahl anzuordnen. Findet auch diese
die Bestätigung nicht, so ernennt der Landrath auf Vorschlag des Bürgermeisters unter Zu-
stimmung des Kreisausschusses einen Stellvertreter auf so lange, bis eine erneute Wahl die
Bestätigung erlangt hat. In den standesherrlichen Gebieten der Fürsten zu Wied, Solms-
Braunfels und Solms-Hohensolms-Lich steht außerdem diesen Fürsten eine Mitwirkung bei
Ernennung der Gemeindevorsteher nach Maßgabe der mit ihnen abgeschlossenen Recesse zu
(G.O. §§ 72—75, Nov. Art. 20, rhein. Kr. O. §§ 23, 99, 83, Z.G. 8§ 32). Der Gemeinde-
rath beschließt über alle nicht durch das Gesetz dem Gemeindevorstande ausdrücklich überwiesenen
Angelegenheiten der Gemeinde, über andere Gegenstände nur auf Grund besonderer gesetzlicher
Vorschriften oder Aufträge der Aufsichtsbehörde; er kontrollirt die Verwaltung und ist be-
rechtigt und verpflichtet, sich von der Ausführung seiner Beschlüsse, der Verwendung aller Geld-
einnahmen und der gehörigen Ausführung der Gemeindearbeiten zu überzeugen. Im Uebrigen
sind seine Beschlüsse nur entscheidend in Angelegenheiten, welche das besondere Interesse
der Gemeinde und namentlich deren Vermögensverwaltung betreffen, soweit es sich dagegen
um die Erfüllung der Pflichten der Gemeinden zur Anlage und Unterhaltung von Polizei= und
Armenanstalten und dgl. handelt, gibt er lediglich ein Gutachten ab (G.O. §§ 86, 100). Der
Gemeindevorsteher ist wie hinsichtlich der Verwaltung der Ortspolizei, so auch bezüglich der
Verwaltung der Gemeindeverwaltung nur Organ des Bürgermeisters, der ihm das Etats-,
Kassen= und Rechnungswesen gar nicht einmal übertragen darf. Ausführendes Organ in der
Gemeindeverwaltung ist der Bürgermeister, dem nach § 28 Kr.O. auch die Verwaltung der
Ortspolizei zusteht (§§ 76, 85).
Hinsichtlich der Verpflichtung zur Uebernahme, des Rechtes zur Ablehnung und der Folgen
unbegründeter Ablehnung von unbesoldeten Aemtern in der Gemeinde= und Bürgermeisterei-
verwaltung gelten analoge Bestimmungen, wie in Westfalen, und namentlich auch bezüglich
des Ablehnungsgrundes des zu großen Geschäftsumfanges für Ehrenbürgermeister (§ 25 Kr.O.).
Höhere Genehmigung bedürfen Gemeindebeschlüsse über 1. die Veräußerung oder wesent-
liche Veränderung von Sachen von besonderem wissenschaftlichen u. s. w. Werth; 2. Aufnahme
von Anleihen, Verwendung von Kapitalien, Erwerb und Veräußerung von Grundstücken, An-
stellung von Prozessen über Berechtigungen der Gemeinde oder über die Substanz des Gemeinde-
vermögens, sowie Vergleiche über Gegenstände dieser Art, Schenkungen und einseitige Verzicht-
leistungen; 3. gewisse Gemeindesteuerangelegenheiten (§§ 96—98 G.O. und Tit. V Z. G.).
III. Der Gemeindehaushalts-Etat wird vom Bürgermeister entworfen und vom Ge-
meinderath nach vierzehntägiger Auslegung festgestellt; hierauf wird er im Duplikat dem Land-
rathe eingereicht. Etatsüberschreitungen bedürfen der Genehmigung des Gemeinderathes und
Landrathes. Die Jahresrechnung wird durch den Bürgermeister revidirt und vom Gemeinde-
rath abgenommen, während die schließliche Prüfung und Feststellung durch den Landrath erfolgt
(G. O. §§ 89—92, Z.G. 8 29).
Ueber das Gemeindevermögen ist vom Bürgermeister ein Lagerbuch zu führen (§ 94).
Hinsichtlich der Immobiliarveräußerungen enthält § 95 analoge Bestimmungen wie die östl.
St. O. v. 30/5. 1853. Für die Verwaltung der Gemeindewaldungen kommt die V. v. 24/11.
1816 zur Anwendung (8§ 99, vgl. jedoch auch Art. 23 Nov.).
Die Erhebung von Einkaufsgeldern und Abgaben für die Theilnahme an den Gemeinde-
nutzungen ist nach § 18 zulässsig. Dagegen ist die Zahlung von Einzugsgeldern beseitigt
& 2 G. v. 2/3. 1867, G. S. S. 361 und Fr.G. v. 1/4. 1867 88 4 ff.).
1) Bezüglich der Verhältnisse und der Disciplin der Gemeindebeamten vgl. 8§ 104, 105, 106
G.O., § 27 Kr. O. und G. v. 21/7. 1891 (G.S. S. 330).