Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

8 84. Die staatliche Aufsicht über die Gemeinden und selbstständigen Gutsbezirke. 357 
§84. Die staatliche Aufsicht über die Gemeinden und selbstständigen Gutsbezirkel). 
I. Wie in § 75 dargelegt ist, umfaßt die staatliche Aufsicht über die Gemeinden die Befugniß 
darüber zu wachen, daß die Verwaltung der gemeindlichen Angelegenheiten den Bestimmungen 
der Gesetze gemäß geführt und durch dieselbe das öffentliche Interesse nicht verletzt werde. Die 
Bestimmungen über Inhalt und Umfang der staatlichen Aufsicht, die Behörden, die sie aus- 
zuüben haben und die Form, in der sie zu handhaben ist, waren in mehr oder minder erschöpfen- 
der Weise in den verschiedenen Städteordnungen und sonstigen Gemeindeverfassungen enthalten. 
Die einschlägigen Bestimmungen sind nun ergänzt und zum Theil abgeändert durch Tit. IV. 
(§§ 7—23, Angelegenheiten der Stadtgemeinden) und Tit. V (§§ 24— 38, Angelegenheiten 
der Landgemeinden und selbstständigen Gutsbezirke) des Z. G. v. 1/8. 1883. In diesen Vor- 
schriften sind vor allem die zur Handhabung der Aufsicht bestellten Behörden einheitlich für 
die ganze Monarchie (je für die Stadtgemeinden und die Landgemeinden) bezeichnet. Ebenso 
ist das bei Ausübung des Aufsichtsrechtes zu beobachtende Verfahren geregelt. Endlich ist auch 
Inhalt und Umfang des staatlichen Aufsichtsrechtes theilweise wenigstens neu geordnet. So- 
weit dies nicht geschehen, kommen selbstverständlich die älteren Gesetze zur Anwendung. Von 
den in den Titeln IV und V enthaltenen Vorschriften sind manche, namentlich solche, die spezielle 
Aufsichtsmaßregeln zum Gegenstande haben, wie die Bestätigung von Wahlen, die Genehmigung 
von Verfügungen über das Gemeindevermögen, die Auflegung von Gemeindeabgaben u. s. w. 
bereits in früheren Paragraphen erwähnt und besprochen worden. Der Inhalt der übrigen 
Bestimmungen namentlich solcher allgemeiner Natur, welche, was die Stadtgemeinden anlangt, 
im Tit. XI der St.O. für den Regierungsbezirk Wiesbaden v. 8/6. 1891 und was die Land- 
gemeinden betrifft, in den §§ 139 ff. L.G.O. O. v. 3/7. 1891 und 4/7. 1892 in der Hauptsache 
wörtlich wiederholt sind, soll nachfolgend im Wesentlichen wiedergegeben werden 2). 
II. Die Aufsicht des Staates über die Verwaltung der städtischen 3) Gemeindeange- 
legenheiten wird in erster Instanz vom Regierungspräsidenten, in zweiter und letzter Instanz 
vom Oberpräsidenten ausgeübt, unbeschadet der gesetzlich bestimmten Mitwirkung des Bezirks- 
ausschusses und des Provinzialrathes. Für die Stadt Berlin tritt an die Stelle des Re- 
gierungspräsidenten der Oberpräsident und an die Stelle des Oberpräsidenten der Minister 
des Innern"), für die Hohenzollern'schen Lande an die Stelle des Oberpräsidenten der Minister 
des Innern. 
Beschwerden bei den Aufsichtsbehörden in städtischen Gemeindeangelegenheiten sind in 
allen Instanzen innerhalb zwei Wochen anzubringen 5) (Z.G. § 7, Wiesb. St.O. § 78). 
Beschlüsse der Gemeindevertretung oder des kollegialischen Gemeindevorstandes, welche 
deren Befugnisse überschreiten oder die Gesetze verletzen, hat der Gemeindevorstand, bezw. der 
Bürgermeister entstehenden Falles auf Anweisung der Aufsichtsbehörde mit aufschiebender 
Wirkung unter Angabe der Gründe zu beanstanden. Gegen die Verfügung des Gemeinde- 
  
1) Brauchitsch, die neuen preuß. Verwaltungsgesetze, I. Bd. (10. Aufl.) S. 193 ff. 
2) In Titel IV und V des Zust.-Gesetzes sind abgesehen von den Bestimmungen über die staat- 
liche Aufsicht über die Gemeinden auch noch Vorschriften enthalten, welche die Zuständigkeit der Ver- 
waltungsbehörden und Verwaltungsgerichte in Bezug auf die Veränderung der Gemeindegrenzen und 
die Streitigkeiten über solche Grenzen, auf Streitigkeiten über Rechte und Pflichten der Gemeinde- 
angehörigen und -Bürger, und über die Giltigkeit von Gemeindewahlen u. dgl. betreffen. Diese Vor- 
schriften sind bereits früher an einschlägiger Stelle erwähnt worden. 
3) Welche Gemeinden im Sinne des Zuständigkeits-Gesetzes als Stadtgemeinden zu betrachten 
sind, ist in § 22 desselben angegeben. 
4) Die Aufsichtsorgane können sich bei Ausübung der Aufsicht der ihnen untergeordneten Be- 
hörden bedienen, jedoch ihnen die Aufsicht nicht selbstständig übertragen, da darin eine Abänderung 
der gesetzlich festgestellten Zuständigkeit liegen würde. 
5) Die einfache Beschwerde ist in allen Fällen zulässig, in denen ein anderes Rechtsmittel, ins- 
besondere die Klage im Verwaltungsstreitverfahren oder die Beschwerde im Beschlußverfahren nicht 
gewährt ist.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.