8 84. Die staatliche Aufsicht über die Gemeinden und selbstständigen Gutsbezirke. 359
III. Die Aufsicht des Staates über die Verwaltung der Angelegenheiten der Land-
gemeinden, der Aemter in der Provinz Westfalen, der Bürgermeistereien in der Rheinprovinz
und der Gemeindeverbände, sowie der Gutsbezirke wird, unbeschadet der Vorschriften der Kreis-
ordnungen und der in den Gesetzen geordneten Mitwirkung des Kreisausschusses und des Be-
zirksausschusses, in erster Instanz von dem Landrathe als Vorsitzenden des Kreisausschusses,
in höherer und letzter Justanz von dem Regierungspräsidenten geübt.
Beschwerden bei den Aufsichtsbehörden in den vorbezeichneten Angelegenheiten sind in
allen Instanzen innerhalb zwei Wochen anzubringen (8§ 24 Z.G., § 143 L.G.O.O. v. 3/7. 1891
und 4/7.1892).
Beschlüsse der Gemeindeversammlung, der Gemeimndevertretung oder des kollegialischen
Gemeindevorstandes, welche deren Befugnisse überschreiten oder die Gesetze verletzen, hat der
Gemeindevorsteher, in der Provinz Westfalen auch der Amtmann, entstehenden Falles auf An-
weisung der Aufsichtsbehörde, mit aufschiebender Wirkung, unter Angabe der Gründe, zu be-
anstanden. Gegen die Verfügung des Gemeindevorstehers bezw. Amtmanns steht der Ge-
meindeversammlung, Gemeindevertretung, bezw. dem kollegialischen Gemeindevorstande die
Klage im Verwaltungsstreitverfahren 1) zu. Die in den Gemeindeverfassungsgesetzen begründete
Befugniß der Aufsichtsbehörde aus anderen als den vorstehend angegebenen Gründen eine Be-
anstandung von Beschlüssen der Gemeindevertretung oder des kollegialischen Gemeindevorstandes
herbeizuführen, wird aufgehoben (§ 29).
Unterläßt oder verweigert eine Landgemeinde (Amt, Bürgermeisterei) oder ein Guts-
bezirk, die ihnen gesetzlich obliegenden, von der Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Ju-
ständigkeit festgestellten Leistungen auf den Haushaltsetat zu bringen oder außerordentlich zu
genehmigen, bezw. zu erfüllen, so verfügt der Landrath, unter Anführung der Gründe, die
Eintragung in den Etat, bezw. die Feststellung der außerordentlichen Ausgabe. Gegen die
Verfügung des Landraths steht der Gemeinde bezw. dem Besitzer des Guts die Klage bei dem
Bezirksausschusse zu (§ 35).
Bezüglich der Dienstvergehen der Gemeindevorsteher, Mitglieder des Gemeindevorstandes
und sonstigen Gemeindebeamten, sowie der Gutsvorsteher kommen die Bestimmungen des G.
v. 21/7. 1852 mit folgenden Maßgaben zur Anwendung:
1. Die Befugniß, gegen die Gemeindevorsteher (Amtmänner in Westfalen, Bürger-
meister in der Rheinprovinz), Schöffen, Mitglieder des kollegialischen Gemeindevorstandes und
sonstige Gemeindebeamte, sowie gegen Gutsvorsteher Ordnungsstrafen zu verhängen, steht dem
Landrathe, und im Umfange des den Provinzialbehörden beigelegten Ordnungsstrafrechts dem
Regierungspräsidenten zu. Gegen die Strafverfügungen des Landraths findet innerhalb zwei
Wochen die Beschwerde an den Regierungspräsidenten, gegen die Strafverfügungen des Re-
gierungspräsidenten innerhalb gleicher Frist die Beschwerde an den Oberpräsidenten statt.
2. Gegen die von dem Amtmann in Westfalen oder von dem Bürgermeister in der Rhein-
provinz auf Grund des § 38 der westfäl. L.G.O. v. 19/3. 1856, bezw. der §§ 83 und 104
der rhein. G.O. v. 23/7. 1845 gegen Unterbeamte der Gemeinden, Aemter und Bürger-
meistereien erlassenen Strafverfügungen finden innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an
den Landrath und gegen den auf die Beschwerde ergehenden Beschluß des Landraths inner-
halb zwei Wochen die Beschwerde an den Regierungspräsidenten statt.
3. Gegen den auf die Beschwerde in den Fällen zu 1 und 2 in letzter Instanz ergehenden
Beschluß des Regierungspräsidenten, bezw. des Oberpräsidenten findet innerhalb zwei Wochen
die Klage bei dem Oberverwaltungsgerichte statt. In den hohenzollern'schen Landen findet
1) Zuständig in erster Instanz im Verwaltungsstreitverfahren für die im Titel V vorgesehenen
Fälle, sofern nicht im Einzelnen anders bestimmt ist, der Kreisausschuß. Die Frist zur Anstellung der
Klage beträgt in allen Fällen zwei Wochen (8§ 37).