360 Fünftes Buch: Die Gemeinden und die Kommunalverbände. II. Kapitel. § 85.
gegen die Strafverfügungen des Regierungspräsidenten innerhalb zwei Wochen unmittelbar die
Klage bei dem Oberverwaltungsgerichte statt.
4. In dem Verfahren auf Entfernung aus dem Amte, in welchem Verfahren auch entstehen-
den Falles überdie Thatsache der Dienstunfähigkeit der ländlichen Gemeindebeamten Entscheidung
zu treffen ist, wird die Einleitung des Verfahrens von dem Landrathe oder von dem Regierungs-
präsidenten verfügt und von denselben der Untersuchungskommissar und der Vertreter der Staats-
anwaltschaft ernannt. Als entscheidende Disciplinarbehörde erster Instanz tritt an die Stelle
der Bezirksregierung der Kreisausschuß; an die Stelle des Staatsministeriums tritt das Ober-
verwaltungsgericht. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft bei dem Oberverwaltungsgerichte
wird von dem Minister des Innern ernannt (8 36).
II. Kapitel.
Die Kreisverbändet).
§ 85. Die Verfassung der Kreisverbände. Wie im Anfange dieses Jahrhunderts
eine Neuorganisation der preußischen Central= und Provinzialbehörden auf Grundlage des
Publikandums v. 16/12. 1808 erfolgte, so sollte auch eine Reform der auf einer bevorzugten
Stellung des adeligen Grundbesitzes beruhenden Kreisverfassung und Kreisverwaltung erfolgen).
Nach längeren Vorarbeiten (vgl. über dieselben E. Meier S. 357 ff.) wurde denn
auch am 30/7. 1812 das „Edikt wegen Errichtung der Kreisdirektorien und der Gendarmerie“,
das sog. Gendarmerie-Edikt, erlassen. Dasselbe wurde jedoch in seinem ersten, eine neue
Kreisordnung enthaltenden Theile, nicht zum Vollzuge gebracht. Die V. v. 30/4. 1815,
wegen verbesserter Einrichtung der Provinzialbehörden, bestimmte sodann in §§ 33 — 39, daß
jeder Regierungsbezirk in Kreise eingetheilt werde, unter möglichster Beibehaltung der bereits
von früher bestehenden Eintheilung, daß alle innerhalb der Grenzen eines Kreises liegenden
Ortschaften, mit Ausnahme der ansehnlichen Ortschaften, welche eigene Stadtkreise bilden, zu
demselben zu gehören haben und daß an der Spitze eines jeden Kreises ein Landrath als Voll-
zugsorgan der Bezirksregierung gestellt werde.
In § 39 a. a. O. war ausdrücklich eine Verordnung über die Organisation der Land-
rathsämter und eine Instruktion für die Landräthe vorbehalten worden. Durch Kab.O. v.
11/6. 1816 erging hierauf eine vorläufige Instruktion für die Landräthe, welche namentlich
bestimmte, daß der Landrath durch die Kreisstände aus den Gutsbesitzern des Kreises in der
Weise zu wählen sei, daß die Kreisstände der Regierung drei qualifizirte Kandidaten in Vor-
schlag bringen, worauf der König aus den Vorgeschlagenen den Landrath ernennt. Eine aus-
führlichere Instruktion v. 31/12. 1816, welche allerdings Mangels der königlichen Sanktion
keine Gesetzeskraft hat, aber jedenfalls als Dienstinstruktion für die Landräthe bindend ist,
wurde durch Reskript v. 24/11. 1822 den Regierungen zugefertigt. (Dieselbe ist abgedruckt bei
1) Rönne, das Staatsrecht der preuß. Monarchie, 4. Aufl., Bd. III, S. 30 ff., 303 ff. —
3. Aufl., Bd. Ib, S. 545 ff. — Schulze, das preuß. Staatsrecht, 2. Aufl., I, S. 497 ff. — Born-
hak, Preuß. Staatsrecht, II, S. 251 ff. — Stengel, Organisation der preuß. Verwaltung u. s. w.
S. 84 ff., 143 ff., 185 ff. — Brauchitsch, die neuen preuß. Verwalt.-Gesetze, II. Bd., 11. Aufl.
(1890) und die dazu gehörigen Ergänzungsbände 1. für Westfalen von G. Braunbehrens, 2. für die
Rheinprovinz von Dr. v. Bitter, 3. für Schleswig-Holstein von L. Haase, 4. für Hannover
von E. v. Gostkowski, 5. für Posen von L. Haase. — Bornhak, Synopt. Ausgabe der Kreis-
und Provinzialordnungen u. s. w., 1887. — Grotefend, Lehrbuch des preuß. Verw.-Rechts, I, S. 664 ff.
— Hue de Grais, Handbuch der Verfassung und Verwaltung u. s. w., 8. Aufl. (1892), S. 10|1 ff.
— Parey, die Rechtsgrundsätze des Oberverw.-Gerichts, 2. Aufl., S. 15—103. **
2) Vgl. über die älteren Kreiseinrichtungen: E. Meier, die Reform der Verwaltungsorganisation
unter Stein und Hardenberg, S. 98 ff.; Mascher, das Institut der Landräthe in Preußen 1868;
Bornhak, Geschichte des preuß. Verwaltungsrechts, I, S. 267 ff.; II, S. 24 ff., 156 ff., 289 ff.