Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

88. Preußen als absolute Monarchie in der Zeit von 1820—1848. 23 
richtshof für alle Rechtsgebiete ausgestattet. Nach den fünf obersten Gerichtshöfen zerfiel 
Preußen in fünf Gebiete mit gesonderter Gerichtsverfassung #): 
1. Die dem Obertribunale unterworfenen Provinzen. Dem Obertribunale 
unterstanden 17 Oberlandesgerichte, von welchen das zu Berlin den Namen „Kammergericht"“ 
behielt und die Untergerichte, die theils königliche, theils patrimoniale waren. In den Städten 
waren nach Aufhebung der städtischen Gerichtsbarkeit königliche Stadtgerichte gebildet worden, 
so daß die Untergerichte Stadtgerichte bezw. Stadt= und Landgerichte und Justizämter waren. 
2. Die Provinz Posen. Nach der Verordnung vom 9/2. 1817 (G.S. S. 37) be- 
standen Friedensgerichte für kleine und schleunige Sachen und die Landgerichte als ordentliche 
Gerichte erster Instanz und als Berufungsinstanz gegenüber den Friedensgerichten, während 
für Berufungen gegen die erstinstanziellen Urtheile die Landgerichte sich wechselseitig substituirt 
wurden. Die dritte Instanz für die ganze Provinz bildete das Oberappellationsgericht zu 
Posen. Die Patrimonialgerichtsbarkeit blieb beseitigt. Auf Grund der Verordnung v. 16/6. 
1834 (G. S. S. 75) traten an die Stelle der bisherigen Gerichte Kreis= und Stadtgerichte 
für jeden Kreis, Oberlandesgerichte für je einen Regierungsbezirk und ein Oberappellations= 
gericht für die ganze Provinz, endlich das Obertribunal in Berlin für Revisionssachen und 
Nichtigkeitsbeschwerden. 
3. Der Bezirk des Justizsenats zu Ehrenbreitstein. Die Untergerichte waren 
theils staatlich, theils patrimonial; zweite Instanz bildete der Justizsenat zu Ehrenbreitstein, 
der durch Kab.-O. v. 4/5. 1820 zum Obergericht für den rechtsrheinischen Theil des Re- 
gierungsbezirks Koblenz erklärt und mit dem Landgericht zu Koblenz verbunden wurde. Appel- 
lationsinstanz für den Justizsenat bildete das Appellationsgericht Köln, später das Oberlandes- 
gericht zu Arnsberg, dritte Instanz ein Revisionshof in Berlin. 
4. In Neuvorpommern bestand ein Oberappellationsgericht zu Greifswald, die 
unteren Instanzen bildeten ein Hofgericht, städtische Gerichte zweiter und erster Instanz und 
Kreisgerichte. Die Patrimonialgerichtsbarkeit war im Jahre 1806 beseitigt worden. 
5. In der Rheinprovinz mit Ausnahme der rechtsrheinischen Kreise Essen, Rees und 
Duisburg und des rechtsrheinischen Theiles des Regierungsbezirks Koblenz, war die französische 
Gerichtsverfassung aufrecht erhalten geblieben. Es bestanden demnach Friedensgerichte, Land- 
gerichte bezw. Handelsgerichte und als Appellinstanz für die Provinz der Appellhof in Köln. 
Als oberste Instanz wurde am 21/6. 1819 (G.S. S. 162) für das Geltungsgebiet des 
französischen Rechts ein Revisionshof in Berlin errichtet. 
Als Sondergerichte bestanden im ganzen Staatsgebiete die Militärgerichte, die General= 
kommissionen, die Rhein-, Weser= und Elbzollgerichte und die Universitätsgerichte. 
§ 8. Preußen als absolute Monarchie in der Zeit von 1820—18482). Nachdem 
der preußische Staat durch die Stein-Hardenberg'schen Verwaltungsreformen wenigstens 
äußerlich eine einheitliche Organisation erhalten hatte, handelte es sich darum, die nach 
Bevölkerung, geschichtlicher Entwickelung, Einrichtungen und Bedürfnissen so verschiedenen 
Gebiete, die seit dem Jahre 1815 den preußischen Staat bildeten, zu einem innerlich ein- 
heitlichen Staatswesen zu verschmelzen. Als das wirksamste Mittel zu diesem Zwecke 
wurde die Schaffung einer „allgemeinen Nationalrepräsentation“ betrachtet, welche Stein 
als den Abschluß der von ihm geplanten Reformen ins Auge gefaßt hatte und welche 
auch in den Zeiten der Noth von der Krone in den Edikten vom 27/10. 1810 und 
  
1) Auf die Organisation der standesherrlichen Gerichte (Untergerichte und Obergerichte), die den 
königlichen koordinirt waren, wird hier nicht eingegangen. Vgl. Bornhak a. a. O. S. 125 ff. 
2) Schulze, das Preuß. Staatsrecht, 2. Aufl. I. S. 96 ff. — Bornhak, Preuß. Staats- 
recht, I, S. 42 ff. — Treitschke, Deutsche Geschichte im 19 Jahrh. I. Bd. (bis zum Pariser Frie- 
den), II. Bd. (bis zu den Karlsbader Beschlüssen, III. Bd. (bis zur Juli-Revolution).
	        
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