378 Fünftes Buch: Die Gemeinden und die Kommunalverbände. III. Kapitel. 887.
Auf die Dienstvergehen der Amtsvorsteher finden die Bestimmungen des G. v. 21/7.
1852, betreffend die Dienstvergehen der nichtrichterlichen Beamten, mit gewissen Maßgaben
Anwendung (8 68 a. Kr.O., bezw. § 59 schlesw.--holst. Kr. O.)#).
III. Kapitel.
Die Provinzialverbände und die kommunalständischen Verbände).
§87. Die Verfassung der Provinzialverbände. I. Nachdem durch die V. v. 30|/4.
1815 wegen verbesserter Einrichtung der Provinzialbehörden (§ 41) der preußische Staat in
10 Provinzen — eine Zahl, die indessen später auf 8, Preußen, Pommern, Brandenburg,
Sachsen, Schlesien, Westfalen und Rheinprovinz herabgesetzt wurde — eingetheilt war, welche
zunächst als Verwaltungsbezirke mit dem Oberpräsidenten an der Spitze in Betracht kamen,
erging am 5/6. 1823 das Gesetz wegen Anordnung dor Provinzalstände. Dasselbe erklärte
im Art. III die Provinzialstände als das „gesetzmäßige Organ der verschiedenen Stände der
Unterthanen in jeder Provinz“ und bestimmte deren Zuständigkeit dahin, daß ihnen 1. die Gesetz-
entwürfe, welche allein die Provinz angehen; 2. solange keine allgemeinen ständischen Ver-
sammlungen stattfinden, auch die Entwürfe solcher allgemeiner Gesetze, welche Veränderungen
in Personen= und Eigenthumsrechten und in den Steuern zum Gegenstande haben, soweit sie
die Provinz betreffen, zur Berathung vorgelegt werden; 3. daß dieselben Bitten und Be-
schwerden, welche auf das spezielle Interesse und Wohl der ganzen Provinz oder eines Theiles
derselben Bezug haben, vorzubringen befugt sind; 4. die Kommunalangelegenheiten der Pro-
vinz durch ihre Beschlüsse vorbehaltlich königlicher Genehmigung und Aufsicht geregelt werden.
Zur Ausführung des G. v. 56. 1823 wurde in den Jahren 1823/25 für jede Provinz ein
besonderes die Formation und die Grenzen ihres ständischen Verbandes regelndes Gesetz er-
lassen, welches namentlich auch die Zusammensetzung des betreffenden Provinziallandtages genau
bestimmte. Die Zusammensetzung der Provinziallandtage beruhte nach diesen Gesetzen durchaus
auf der Gliederung der Bevölkerung in die drei Stände des Grundadels, der Städte und der
Bauern, bezw. der Landgemeinden. Im schlesischen und im sächsischen Landtage waren vier
Stände vertreten, indem der Grundadel in zwei Stände (hoher Adel und Ritterschaft) zerlegt
war. Die Berufung der Provinziallandtage erfolgte durch den König, welcher auch den Vor-
sitzenden (Landtags-Marschall) aus der Mitte des Landtages selbst ernannte. Für jeden Land-
tag wurde ferner von der Regierung ein Landtags-Kommissarius bestellt, welcher die Mittels-
person zwischen Landtag und Regierung zu bilden hatte und den geschäftlichen Verkehr zwischen
der Regierung und dem Landtage besorgte. Die Verhandlungen auf den Provinziallandtagen
fanden in der Weise statt, daß die Vertreter aller Stände eine ungetheilte Einheit bildeten
und über die ihnen vorliegenden Gegenstände gemeinsam beriethen und Beschluß faßten. Bei
solchen Gegenständen jedoch, bei welchen die Stände verschiedene und entgegengesetzte Interessen
hatten, fand eine itio in partes statt, sobald 88 der Stimmen eines Standes, welcher sich durch
den Beschluß der Mehrheit verletzt glaubte, darauf drangen.
1) In Posen ist die Kr.O. v. 13/12. 1872 nicht zur Einführung gelangt, daher besteht in dieser
Provinz die Einrichtung der Amtsbezirke nicht. Da auch das G. v. 19/5. 1889, über die allgemeine
Landesverwaltung und die Zuständigkeit der Verwaltungs= und Verwaltungsgerichtsbehörden in Posen
in diesem Punkte keine Bestimmungen getroffen hat, so wird in dieser Provinz die Ortspolizei auf
dem Lande von den Distriktskommissarien und bezw. den Gemeinde= und Gutsvorstehern nach den
früher erlassenen gesetzlichen Vorschriften gehandhabt (vgl. § 36).
2) Rönne, das Staatsrecht der preuß. Monarchie, 4. Aufl., III. S. 5 ff. — Bornhak, Preuß.
Staatsrecht, II, S. 326 ff. — Stengel, die Organisation der preuß. Verwaltung, S. 94 ff., S. 131 ff.
S. 150 ff., S. 268 ff. — Brauchitsch, die neuen preuß. Verwaltungsgesetze, II (11. Aufl.) S. 170 ff.
— Strutz, die Kommunalverbände in Preußen, S. 257 ff.