890. Ordentliche Maßregeln der Sicherheitspolizei. 389
III. Die Organe der Sicherheits= und Ordnungspolizei sind die gewöhnlichen, bereits
in § 51 besprochenen Behörden; insbesondere kommen hier diejenigen Polizeibehörden und
Polizeiorgane in Betracht, welche auch als Behörden und Organe der sog. gerichtlichen Polizei
thätig sind.
§ 90. Ordentliche Maßregeln der Sicherheitspolizei. I. Verhaftungen, Haus-
suchungen u. s. w. 1). Eine Verhaftung kann erfolgen, entweder zu dem Zwecke, um die Bestrafung
eines Verbrechers herbeizuführen, dann ist dieselbe eine strafprozessuale Maßregel, auf
welche die Vorschriften der §§ 112 ff. R.Str. Pr. O. Anwendung finden, gleichgültig, ob sie
auf Grund eines richterlichen Haftbefehles oder ohne solchen durch die Beamten der gerichtlichen
Polizei erfolgt. Die Verhaftung (Festnahme) kann aber auch eine rein poli zeiliche Maßregel
sein, wenn sie vorgenommen wird zum Zwecke der Verhütung von Verbrechen, im Interesse der
öffentlichen Sicherheit, Ruhe oder Sittlichkeit, unter Umständen selbst zum Schutze der festge-
nommenen Person.
Die Vorschriften der Reichsstrafprozeßordnungbeziehen sich lediglich auf die strafprozessualen
Verhaftungen, während für die polizeilichen Festnahmen das preuß. G. v. 12/2. 1850 zum
Schutze der persönlichen Freiheit (G. S. S. 45) 2) maßgebend ist. Das G. v. 12/2. 1850 hatte
in den §§ 1—5 auch die strafprozessuale Verhaftung geregelt, ist aber insoweit durch die Reichsstraf-
prozeßordnung außer Kraft gesetzt. Dagegen bestimmt der noch gültige § 6, daß die Polizei-
behörden und andere Beamte, welchen nach den bestehenden Gesetzen die Pflicht obliegt, Ver-
brechen und Vergehen nachzuforschen, sowie die Wachmannschaften (vgl. Instr. v. 29/1. 1881,
M.Bl. d. i. V. S. 60) befugt sind, Personen in polizeiliche Verwahrung zu nehmen,
wenn der eigene Schutz dieser Personen oder die Aufrechthaltung der öffentlichen Sittlichkeit,
Sicherheit und Ruhe diese Maßregeln dringend erfordern. Die polizeilich in Verwahrung ge-
nommenen Personen müssen jedoch spätestens im Laufe des folgenden Tages in Freiheit gesetzt
oder es muß in dieser Zeit das Erforderlich veranlaßt werden, um sie der zuständigen Behörde
zu überweisen. Die nach § 6 G. v. 12/2. 1850 zulässige polizeiliche Festnahme ist nicht zu
verwechseln mit den Zwangsgestellungen, d. h. Festnahmen zum Zwecke der Vorführung vor
eine Behörde und überhaupt den Zwangsmaßregeln welche behufs Durchsetzung obrigkeitlicher
Anordnungen von den Behörden getroffen werden können (vgl. § 58). Für solche Maßregeln
kommen vielmehr lediglich die Vorschriften hinsichtlich der Zwangsbefugnisse der Verwaltungs-
behörden zur Anwendung (vgl. §§ 132 ff. L. V.G.) 3).
hütung von Unfällen und die Beseitigung, bezw. Verringerung der nachtheiligen Wirkungen eingetretener
Unfälle durch Rettungs= und ähnliche Maßregeln zum Gegenstande hat (vgl. z. B. 8§ 36010, Feld= und
Forstpol.-G. v. 1/4. 1880 § 44"). In der Hauptsache fallen die Anordnungen und Maßregeln der
sog. Unfallpolizei in andere Verwaltungsgebiete: die Gesundheitspolizei, Bau-, Feuer-, Wasser-, Straßen-
und Verkehrspolizei u. s. w. Als spezielle Vorschriften der Unfallpolizei bleiben hiernach nur noch
wenige übrig, wie z. B. die Vorschriften, welche die Verhütung von Unfällen durch Umstürzen und
Herabfallen u. s. w. von Sachen, durch unbedeckte und unverwahrte Brunnen, Keller, Gruben, Ab-
hänge u. s. w., durch Explosionen u. dgl. bezwecken (vgl. R.Str. G. B. §§ 366/8, 3671, Feld= u. Forst-
pol. G. § 29, N. Str. G. B. 88 3675, 3687, 3675) oder Unfällen durch Thiere vorbeugen wollen (ogl.
88 3665, 367¼, 366"). Hierher gehört auch das R.G. v. 19/5. 1891, betr. die Prüfung der Läufe und
Verschlüsse der Handfeuerwaffen (R.G. Bl. S. 109. Vgl. auch die Bek. v. 22/6. 1892, R.G.Bl. S. 674
u. kais. V. v. 20/12. 1892, R.G. Bl. S. 1055).
1) Rönne a. a. O., lI, S. 41. — Bornhak a. a. O. S. 176 ff. — Schulze a. a. O., 1,
S. 373 ff. — Seuffert, Artikel Verhaftung und Durchsuchung in Stengel's Wörterbuch des
d. Verw.-Rechts, II, S. 671 ff., I, S. 290 ff. — Grotefend a. a. O. S. 50 u. 850 ff.
2) Vgl. über die Einführung des G. v. 12/2. 1850 bezw. im Wesentlichen übereinstimmender
Vorschriften in die nach dem Erlasse desselben erworbenen Gebietstheile, Rönne a. a. O. S. 41. —
Der § 6 des G. v. 12/2. 1850 gilt auch in Helgoland auf Grund des 8§5 Z. 1 G. v. 18/2. 1891
(G. S. S. 11).
3) Der Unterschied zwischen der polizeilichen Festnahme und der sog. Zwangsgestellung liegt nament-
lich auch darin, daß erstere nur aus polizeilichen Gründen, aber von jedem Exekutivbeamten vorgenommen