8 90. Ordentliche Maßregeln der Sicherheitspolizei. 393
u. s. w.) nicht entgegenstehen. Auch von Ausländern soll weder beim Eintritte, noch beim
Austritte über die Grenze des Reichsgebietes, noch während ihres Aufenthaltes oder ihrer
Reisen innerhalb desselben ein Reisepapier gefordert werden. Jedoch bleiben sowohl Reichs-
angehörige, wie Ausländer verpflichtet, sich auf amtliches Erfordern über ihre Person genügend
auszuweisen. Pässe oder sonstige Reisepapiere, sowie andere Legitimationsurkunden, die von
der zuständigen Behörde eines Bundesstaates des deutschen Reiches ausgestellt sind, haben,
wenn sie nicht eine ausdrückliche Beschränkung in dieser Beziehung enthalten, Gültigkeit für
das ganze Reichsgebiet. Eine Verpflichtung zur Verlegung der Reisepapiere behufs der Visir-
ung findet nicht statt. Zur Ertheilung von Auslandspässen und sonstigen Reisepapieren sind
diejenigen Behörden befugt, welche nach den in den einzelnen Bundesstaaten geltenden Be-
stimmungen diese Befugniß haben, oder welchen dieselbe von Bundeswegen oder von den Regier-
ungen der einzelnen Staaten fernerhin beigelegt wird (vgl. Cirk. R. d. Min. d. Inn. v. 30/12.
1867, M. Bl. d. i. V. 1868 S. 4 ff.).
Wenn die Sicherheit des Reiches oder eines einzelnen Bundesstaates oder die öffentliche
Ordnung durch Krieg, innere Unruhen oder sonstige Ereignisse bedroht erscheint, kann die Paß-
pflichtigkeit überhaupt oder für einen bestimmten Bezirk oder zu Reisen aus und nach bestimmten
Staaten des Auslandes durch Anordnung des Kaisers vorübergehend eingeführt werden.
Das Paßgesetz v. 12/10. 1867 § 10 hat zwar die Aufenthaltskarten, welche die auf
Grund des § 18 des Paßediktes v. 22/6. 1817 erlassene Generalinstruktion v. 12/7. 1817
in den größeren Städten, den Handelsstädten und den Festungsstädten für zulässig erklärt
hatte, beseitigt;: im Uebrigen sind aber weder durch das Paßgesetz, noch durch das Freizügig-
keitsgesetz die Vorschriften über das Meldewesen beseitigt worden. In Betracht kommen
für Preußen d. G. v. 31/12. 1842 über die Aufnahme neu anziehender Personen § 5, Paß-
edikt v. 22/6. 1817 § 18 und das Cirk. R. d. Minist. des Innern v. 18/12. 1837 (M. Bl.
d. i. V. 1846 S. 10).
6. Waffenpolizei; Sprengstoffgesetz 1). Das Recht Waffen zu besitzen und zu
führen, steht an und für sich Jedermann zu, doch bestehen zur Verhütung des Mißbrauches mit
Waffen gewisse polizeiliche Vorschriften: R. St. G.B. § 3675 u. § 3457 preuß. Str. B. v. 14/5.
1851 (Verbot der Führung bezw. des Feilhaltens verborgener Waffen); ebenso zur Verhütung
des unvorsichtigen Gebrauches der Waffen R. Str. G. B. 3675.
Vorschriften gegen den verbrecherischen und gemeingefährlichen Gebrauch von Spreng-
stoffen enthält das R.G. v. 9/6. 1884. Nach § 1 d. G. ist die Herstellung, der Vertrieb und
der Besitz von Sprengstoffen (Dynamit u. s. w.), sowie die Einführung derselben unbeschadet
der sonstigen Beschränkungen nur mit polizeilicher Genehmigung zulässig. Die Genehmigung,
die von den gemäß § 2 durch die Centralbehörden der Bundesstaaten zu bestimmenden Be-
hörden ertheilt wird, erfolgt nur in widerruflicher Weise (§ 4). Erfolgt auf Grund der §§ 5,
6, 7, 8 u. 10 d. G. eine Verurtheilung, so kann auf Zulässigkeit der Polizeiaufsicht erkannt
werden.
7. Als eine Maßregel der Sicherheitspolizei ist endlich auch zu betrachten die Zwangs-
erziehung verwahrloster Kinder?2). Nach § 55 R. Str. G.B. kann Jemand, der bei Be-
gehung einer strafbaren Handlung das 12. Lebensjahr nicht vollendet hat, wegen derselben nicht
strafrechtlich verfolgt werden. Gegen denselben können jedoch nach Maßgabe der landesgesetz-
lichen Vorschriften die zur Besserung und Beaufsichtigung geeigneten Maßregeln getroffen
werden. Insbesondere kann die Unterbringung in eine Erziehungs= oder Besserungsanstalt er-
1) Vgl. Stengel, Art. Sicherheitspolizei im Wörterbuche des d. Verw.-R., II, 453 f.
2) Münsterberg, Art. Zwangserziehung in Stengel's Wörterbuch des d. Verw.-Rechts,
II. S. 1003 ff. — Muskat, das preuß. Zwangserziehungsrecht im Archiv für öffentl. Recht, VIII,
S. 315 ff. — Grotefend, Preuß. Verw.-Recht, 1I, S. 181 ff.