88. Preußen als absolute Monarchie in der Zeit von 1820—1848. 25
Provinz eine eigene Verfassung erhalten sollte, die nur geeignet war, provinziellen Sonder-
geist großzuziehen und das Schlimmste war, daß die in Folge des Gesetzes vom 5/6. 1823
erlassenen Gesetze, die Provinzialstände auf die in Wirklichkeit gar nicht mehr bestehende alt-
ständische Gliederung in Herren-, Ritter-, Bürger= und Bauernstand aufbauten, und daher
in Widerspruch standen mit der thatsächlich vorhandenen gesellschaftlichen Ordnung. Auf
Grund des Gesetzes vom 5/6. 1823 erging nun in den Jahren 1823/24 für jede Provinz
ein besonderes, die Verfassung und Verwaltung des provinzialständischen Verbandes regeln-
des Gesetz. Nach allen diesen Gesetzen beruhte die Zusammensetzung der Provinziallandtage
auf der altständischen Gliederung nach den drei Ständen des Grundadels (theils mit Viril-
stimmen beim hohen Adel, theils Kuriatstimmen bei der Ritterschaft), der Städte und der
Bauern bezw. der Landgemeinden. In einzelnen Provinzen bestanden vier Stände, indem
der Grundadel in zwei Stände (hoher Adel und Ritterschaft) zerlegt war.
Im Anschlusse an diese Reform der Provinzialverfassung erfolgte auch eine Reform der
Kreisverfassung, indem in den Jahren 1825/28 für die einzelnen Provinzen gesonderte
Kreisordnungen erlassen wurden, welche ebenfalls in Festhaltung des altständischen Prinzips
die Zusammensetzung der Kreistage im Allgemeinen dahin bestimmten, daß jeder Besitzer eines
landtagsfähigen Ritterguts zum Virilstimmrechte auf dem Kreistage befugt war, während die
Städte und die Landgemeinden nur durch Deputirte in verhältnißmäßig geringer Zahl ver-
treten waren.
Was die Gemeindeverfassung anlangt, so wurde zwar die revidirte Städteordnung
vom 17/3. 1831 für die östlichen Provinzen erlassen, bezüglich der Landgemeinden dieser Pro-
vinzen blieb aber im Wesentlichen Alles beim Alten, während für die beiden westlichen Provin-
zen neue Gemeindeordnungen erlassen wurden; für Westfalen die Landgemeindeordnung vom
31/10. 18411) und für die Rheinprovinz die für Städte und Landgemeinden bestimmte
Gemeinde-Ordnung vom 23/7. 1845.
Wenn auch die auf Schaffung einer konstitutionellen Verfassung gerichteten Bestrebuugen
einen Erfolg nicht hatten, so war doch diese Periode des absoluten Königthums im Uebrigen
für die Entwickelung des Staatslebens keineswegs unfruchtbar. Vor Allem ist hier die
Finanzverwaltung zu erwähnen. Durch die Verordnung vom 17/1. 1820 (G.S. S. 9)
wegen der künftigen Behandlung des gesammten Staatsschuldenwesens wurde die gesammte
verzinsliche allgemeine Staatsschuld auf 180 091 720 Thlr. und die unverzinsliche Schuld
auf 11242 347 Thlr., die Provinzialstaatsschulden aber auf 25 914 694 Thlr. festgestellt,
für welche die gesammten Domänen, Forsten und säkularisirten Güter als Unterpfand bestellt
wurden. Gleichzeitig wurde eine selbstständige Kommission zur Kontrolle des Staatsschulden-
wesens eingesetzt, so daß auf diese Weise Ordnung in das Staatsschuldenwesen gebracht war.
Die Verordnung vom 17/1. 1820 traf ferner eine weitere für die Ordnung des Staats-
haushalts wichtige Maßregel, indem für die pekuniäre Ausstattung und Versorgung des könig-
lichen Hauses und Hofes eine Jahresrente (Krondotation, Civilliste) von 2½ Mill. Thaler
aus den Erträgen der Domänen ein für allemal festgestellt wurde.
Was die Steuer= und Zollgesetzgebung anlangt 2), so handelte es sich vor Allem
darum, die verschiedenartige indirekte Besteuerung, welche den Verkehr zwischen den einzelnen
Theilen des Staates hemmte, zu beseitigen. Zu diesem Zwecke erging das Gesetz vom 26/5.
1818 (G. S. S. 65) über den Zoll und die Verbrauchssteuern von ausländischen Waaren
und über den Verkehr zwischen den Provinzen des Staats. Durch dieses Gesetz wurden
sämmtliche im preußischen Staate noch bestehenden Binnenzölle mit Ausnahme der Rhein-,
1) Für Städte von mehr als 2500 Einwohnern wurde die revidirte St.O. v. 17/3. 1831 ein-
geführt. Rönne, das Staatsrecht der preuß. Monarchie, 3. Aufl. II, 1, S. 526.
2) Vgl. Bornhak, Gesch. des preuß. Verwalt.-Rechts. III. S. 179 ff.