396 Sechstes Buch: Die Landesverwaltung. I. Kapitel. § 9.
Vereinigungsrechts (G. S. S. 277)1), welche durch V. v. 25/6. 1867 Art. II (G.S. S. 921)
bezw. VV. v. 13/5. 1867, 22/5. 1867 u. v. 20/9. 1867 (G.S. S. 700, 921 u. 1534) auf
die neuen Provinzen und durch G. v. 26/6. 1876 § 10 (G. S. S 169) auf Lauenburg, end-
lich durch § 5 Z. 3 G. v. 18/2. 1891 (G.S. S. 11) auch auf Helgoland ausgedehnt worden ist.
Die V. v. 11/3. 1850 unterscheidet zwischen Versammlungen und Vereinen, ohne diese
Begriffe näher zu bestimmen. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauche wird aber als „Ver-
sammlung“ jedes geordnete Beisammensein einer größeren Personenzahl zum Zwecke gemein-
samer Berathung bezeichnet, von einem „Vereine“ wird dagegen gesprochen, wenn eine auf die
Dauer berechnete Verbindung, die namentlich in einer festen Organisation zu Tage tritt, vor-
liegt. Sind die Mitglieder eines Vereins zur Erfüllung der Vereinszwecke beisammen, so bil-
den sie eine Versammlung, auf welche die Vorschriften über das Versammlungsrecht Platz
greifen.
Keine Anwendung finden die Bestimmungen des G. v. 11/3. 1850 auf die durch das
Gesetz oder die gesetzlichen Autoritäten angeordneten Versammlungen (der Gemeinde-, Kreis-
und Provinzialvertretungen) und die Versammlungen der Mitglieder des Landtags während
der Dauer der Sitzungsperiode (Fraktionssitzungen), sowie auf Wahlvereine, welche für be-
stimmte anstehende politische Wahlen thätig sind (§ 21 a. a. O.).
A. Hinsichtlich der Versammlungen gelten folgende Vorschriften:
1. Von allen Versammlungen, in welchen öffentliche Angelegenheiten?) erörtert
oder berathen werden, hat der Unternehmer mindestens 24 Stunden vor Beginn der Versamm-
lung Anzeige bei der Ortspolizeibehörde unter Angabe des Ortes und der Zeit der
Versammlung zu machen; über die Anzeige hat die Behörde eine Bescheinigung zu ertheilen.
Beginnt die Versammlung nicht spätestens eine Stunde nach der in der Anzeige angegebenen
Zeit, so ist die später beginnende Versammlung nicht als vorschriftsmäßig angezeigt anzusehen.
Dasselbe gilt, wenn eine Versammlung die länger als eine Stunde ausgesetzten Verhandlungen
wieder aufnimmt (§ 1). Findet eine Versammlung ohne die vorgeschriebene Anzeige statt, so
werden die Unternehmer, derjenige, der den Platz eingeränmt hat, und jeder, der in der Ver-
sammlung als Vorsteher, Ordner, Leiter und Redner aufgetreten ist, bestraft (6 12).
2. Steht für die Versammlungen eines Vereins, der eine Einwirkung auf öffentliche
Angelegenheiten bezweckt, Zeit und Ort statutenmäßig oder durch einen besonderen Beschluß
des Vereins im Voraus fest, und ist dies wenigstens 24 Stunden vor der ersten Versammlung
zur Kenntniß der Polizeibehörde gebracht worden, so bedarf es einer besonderen Anzeige für
die einzelnen Versammlungen nicht.
3. Die Ortspolizeibehörde kann in jede Versammlung in der öffentliche Angelegenheiten
erörtert oder berathen werden sollen, einen oder zwei Polizeibeamten oder andere Personen
als Abgeordnete senden. Dieselben dürfen, wenn sie Polizeibeamte sind, nur in ihrer Dienst-
kleidung oder unter ausdrücklicher Kundgebung ihrer dienstlichen Eigenschaft erscheinen und
müssen, wenn sie nicht Polizeibeamte sind, durch besondere Abzeichen erkennbar sein. Es ist
ihnen ein angemessener Platz einzuräumen, auch auf Erfordern durch den Vorsitzenden Aus-
1) Die „Verordnung“ v. 11/3. 1850 ist, wie es im Eingange derselben selbst gesagt ist, mit
Zustimmung des Landtages erlassen, daher ein Gesetz im Sinne des Art. 62 V. U.
2) Oeffentliche Angelegenheiten sind solche, welche den Staat, seinen äußeren Bestand, seine
innere Einrichtung, seine Verfassung unmittelbar betreffen (einschließlich der die öffentlich-rechtlichen
Verhältnisse im Staate berührenden religiösen Bestrebungen). Dagegen sind nicht als öffentliche An-
gelegenheiten diejenigen zu betrachten, die aus dem Rechtskreise bestimmter physischer oder juristischer
Personen nicht heraustreten, wie die Angelegenheiten der Aktiengesellschaften u. dgl. Die Verhandlungen
der mit Korporationsrechten ausgestatteten Vereine sind, da ihre Korporationszwecke die Anerkennung
des Staats gefunden haben, den Vorschriften des G. v. 11/3. 1850 entzogen. Es gilt dies nament-
lich von den kirchlichen und religiösen Gesellschaften mit Korporationsrechten, während Zusammenkünfte
von anderen religiösen Vereinen den Vorschriften des Gesetzes unterliegen.