406 Sechstes Buch: Die Landesverwaltung. I. Kapitel. § 94a.
in polizeilicher Verwahrung befindlichen Fundsache den Betrag von 300 M. übersteigt, dem
Finder und der Ortsarmenkasse des Fundortes zu überlassen, zu ihren Gunsten das Aufgebots-
verfahren zu veranlassen, nach dessen Beendigung die gefundene Sache dem Berechtigten aus-
gehändigt wird. Beträgt der Werth der Fundsache weniger als 300 M., so wird dieselbe, je
nach Lage des Falles, entweder dem Finder zurückgegeben oder verkauft unter Deponirung des
Erlöses oder der Ortsarmenkasse des Fundortes überlassen (§ 8). Bezüglich der im Bereiche
der Staatseisenbahnverwaltung zurückgelassenen oder aufgefundenen Sachen ist der M. E. v.
17/2. 1891 (Eisenb. V. Bl. S. 20) ergangen.
§5 94 a. Die Führung der Civilstandsregister 1). I. Die Führung der Gidil-
standsregister und die Einrichtung derselben ist geregelt durch das R.G. v. 6/2. 1875 über
die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung (R.G. Bl. S. 23)2). Das in-
haltlich dem preuß. G. v. 9/3. 1874 über die Beurkundung des Personenstandes (G.S.
S. 95) nachgebildet ist und einzelne Bestimmungen dieses Gesetzes unberührt gelassen hat. Das
R.G. v. 6/1. 1875 hat das Personenstandswesen in der Weise geordnet, daß die Thatsachen
der Geburt, der Eheschließung (in der Form der sog. obligatorischen Civilehe) und des Todes
rechtlich beurkundet werden müssen. Demzufolge hat das Gesetz die Förmlichkeiten festgestellt,
durch welche die öffentliche Glaubwürdigkeit der Beurkundung der Geburten, Eheschließungen
und Sterbefälle bedingt ist und insbesondere vorgeschrieben, daß eine Verpflichtung zur An-
zeige der betreffenden Thatsachen besteht, bezw. der Eheabschluß vor dem Standesbeamten er-
folgen muß 3), daß die Standesbeamten vom Staate angestellt werden und daß sie die frag-
lichen Thatsachen in die nach Vorschrift des Gesetzes zu führenden Standesregister (Geburts-,
Heiraths= und Sterberegister) einzutragen haben.
II. Die Bildung der Standesamtsbezirke, welche so abgegrenzt sind, so daß jeder Stan-
desbeamte einen bestimmten örtlichen Standesamtsbezirk hat, erfolgt durch die höhere Ver-
waltungsbehörde, d. h. den Oberpräsidenten, in den hohenzollern'schen Landen durch den
Regierungspräsidenten (§ 2 Abs. 1 R. G. v. 6/2. 1875, M.E. v. 1/12. 1875, M. Bl. f.
d. i. V. S. 275, L.V.G. 88§ 18, 21). Die Standesamtsbezirke entsprechen den Gemeinde-
bezirken, können jedoch aus einer oder mehreren Gemeinden gebildet sein oder aus Theilen eines
größeren Gemeindebezirkes bestehen (§ 2 Abs. 2, § 3 des G. vergl. auch M.E. v. 26|5.
und 3/6., 20/6. und 3/8. 1874, M. Bl. f. d. i. V. S. 127, 128, 105.) Für jedes Standes-
amt wird nur ein Standesbeamter und mindestens ein Stellvertreter bestellt. Für den Fall
1) Rönne, das Staatsrecht der preuß. Monarchie, 4. Aufl., IV, S. 24 ff. — Bornhak,
Preuß. Staatsrecht, III, S. 201 ff. — Grotefend, Preuß. Verw.-Recht, II, S. 3 ff. — Wohlers,
das R.G. über die Beurkundung des Personenstandes u. s. w. v. 6/2. 1875, 3. Aufl., 1886. — Die
Einrichtung der Civilstandsregister ist erfolgt theils im Interesse der Einzelnen, um denselben über die
wichtigen Thatsachen der Geburt, des Todes und der Eheschließung vollgültige Beweismittel zu ver-
schaffen, theils im öffentlichen Interesse. Hier im Verwaltungsrechte ist die Führung der Standes-
register insoweit berücksichtigt, als es sich um die Organisation der Standesämter handelt, während die
Vorschriften über die Führung der Civilstandsregister selbst ins Privatrecht zu verweisen sind.
2) In Helgoland ist das R.G. v. 6/2. 1875 noch nicht zur Einführung gelangt. — Für die
Beurkundung des Personenstandes und den Eheabschluß von Reichsangehörigen im Auslande ist be-
kanntlich das R.G. v. 4/5. 1870 (N.G.Bl. S. 599) ergangen.
3) Alle polizeilichen Ehebeschränkungen sind durch das R. G. v. 4/5. 1868 (R.G.Bl. S. 149)
beseitigt, welches bestimmt, daß Reichsangehörige zur Eingehung einer Ehe und der damit verbundenen
Gründung eines eigenen Hausstandes weder des Besitzes noch des Erwerbs der Gemeindeangehörigkeit
noch der Genehmigung der Gemeinde (Gutsberrschaft) oder des Armenverbandes, noch einer obrigkeit-
lichen Erlaubniß bedürfen und daß die Befugniß zur Verehelichung insbesondere nicht beschränkt werden
darf wegen Mangels eines bestimmten die Großjährigkeit übersteigenden Alters oder des Nachweises
einer Wohnung, eines hinreichenden Vermögens oder Erwerbes, wegen erlittener Bestrafung, bösen
Rufes, vorhandener oder zu befürchtender Berarmung, bezogener Unterstützung oder aus anderen poli-
zeilichen Gründen. Ebenso wurden die polizeilichen Beschränkungen der Eheschließung wegen Ver-
schiedenheit des religiösen Bekenntnisses aufgehoben.