Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

414 Sechstes Buch: Die Landesverwaltung. II. Kapitel. 897. 
§97. Die Armenverwaltung. I. Die Armenverbände. Hinsichtlich der Träger 
der öffentlichen Armenlast, der Ortsarmenverbände und der Landarmenverbände enthält das 
Unterstützungswohnsitzgesetz nur einige grundlegende Bestimmungen, indem es die nähere Aus- 
führung der Landesgesetzgebung überließ. 
1. Die Ortsarmenverbände: Ortsarmenverbände können nach § 3 U.W. G. aus 
einer oder mehreren Gemeinden, und wo die Gutsbezirke außerhalb der Gemeinden stehen, 
aus einem oder mehreren Gutsbezirken, bezw. aus Gemeinden und Gutsbezirken zusammen- 
gesetzt sein. Alle zu einem Ortsarmenverbande vereinigten Gemeinden und Gutsbezirke gelten 
in Ansehung der durch das Unterstützungswohnsitzgesetz geregelten Verhältnisse als eine Einheit. 
Auf Grund dieser Bestimmung hat das preuß. Ausf.G. v. 8/3. 1871 (G. S. S. 130) drei 
Klassen von Ortsarmenverbänden geschaffen: a) Gemeinden, b) Gutsbezirke, c) Gesammtarmen- 
verbände. 
a) Die Gemeinden. Nach § 2 G. v. 8/3. 1871 bildet jede Gemeinde für sich einen 
Ortsarmenverband, sofern sie nicht einem mehrere Gemeinde oder Gutsbezirke umfassenden ein- 
heitlichen Ortsarmenverbande (Gesammtarmenverbande) angehört. Die Verwaltung der 
öffentlichen Armenpflege steht in den Gemeindebezirken überall den für die Verwaltung der 
Gemeindeangelegenheiten durch die Gemeindeverfassungsgesetze angeordneten Gemeindebehörden 
zu. Die Bestimmungen der Gemeindeverfassungsgesetze über die Verwaltung der Gemeinde- 
angelegenheiten, insbesondere die Bestimmungen über die Zuständigkeit des Gemeindevor- 
standes und der Gemeindevertretung, sind überall auch für die Verwaltung der öffentlichen 
Armenpflege maßgebend. Die in diesem Gesetze der Gemeindevertretung zugewiesenen Ver- 
richtungen werden da, wo eine gewählte Gemeindevertretung nicht besteht, von der Gemeinde- 
versammlung wahrgenommen. In § 3 ist jedoch zugelassen, daß in allen Gemeinden auf 
Grund eines Gemeindebeschlusses für die Verwaltung der öffentlichen Armenpflege besondere 
dem Gemeindevorstande untergeordnete Deputationen aus Mitgliedern des Gemeindevorstandes 
und der Gemeindevertretung, geeigneten Falles unter Zuziehung anderer Ortseinwohner, ge- 
werden. Den Vorsitz in solchen Deputationen führt, sofern nicht die Gemeindeverfassungsge- 
setze über den Vorsitz in Deputationen Anderes bestimmen, der Bürgermeister — in den Land- 
gemeinden der Provinz Westfalen der Amtmann — oder ein von ihm abgeordnetes Mitglied 
des Gemeindevorstandes. Wo kein Bürgermeister (Amtmann) an oer Spitze der Gemeinde- 
verwaltung steht, tritt an seine Stelle der Gemeindevorsteher. Bei den sonstigen näheren Be- 
stimmungen der Gemeindeverfassungsgesetze über die Zusammensetzung und Geschäftsführung 
besonderer Verwaltungsdeputationen hat es sein Bewenden, die Wahl der in die letzteren zu 
entsendenden Mitglieder der Gemeindevertreter und anderen Ortseinwohner steht jedoch, 
so viel den Gegenstand dieses Gesetzes bildet, überall der Gemeindevertretung zu. Orts- 
pfarrer oder deren Stellvertreter, deren Pfarrbezirk über die Grenzen der politischen Gemeinde 
ihres Wohnortes sich erstreckt, sind hinsichtlich des in der auswärtigen Gemeinde belegenen 
Kirchspieltheiles den dortigen Ortseinwohnern gleich zu achten. 
Jedes zur Theilnahme an den Gemeindewahlen berechtigte Gemeindemitglied ist nach 
§ 4d. G. v. 8/3. 1871 verpflichtet, eine unbesoldete Stelle in der Gemeindearmenverwaltung 
zu übernehmen und drei Jahre oder die sonst in den Gemeindeverfassungsgesetzen vorgeschriebene 
längere Zeit hindurch fortzuführen, sofern ihm nicht die im Gesetze selbst aufgeführten Ent- 
schuldigungsgründe zur Seite stehen. Wer sich dieser Verpflichtung entzieht, kann durch, der 
Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedürfenden Beschluß der Gemeindevertretung — bezw. 
des im betreffenden Gemeindeverfassungsgesetze bezeichneten anderen Organes — auf drei bis 
sechs Jahre des Rechtes zur Theilnahme an den Gemeindewahlen und zur Wahrnehmung un- 
besoldeter Stellen für verlustig erklärt und um ein Achtel bis ein Viertel stärker zu den direkten 
Gemeindeabgaben herangezogen werden.
	        
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