Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

418 Sechstes Buch: Die Landesverwaltung. II. Kapitel. § 98. 
Auf Grund dieses, am 1/4. 1893 in Kraft getretenen Gesetzes sind die Landarmen= 
verbände, d. h. die Provinzialverbände (auch in Ostpreußen, wo im übrigen die Kreise die 
Funktionen des Landarmenverbandes üben) verpflichtet, für Bewahrung, Kur und Pflege 
der hilfsbedürftigen Geisteskranken, Idioten, Epileptischen, Taubstummen und 
Blinden in geeigneten Anstalten Fürsorge zu treffen. 
Die allgemeinen Verwaltungskosten trägt der Landarmenverband. Im Uebrigen erfolgt 
die Erstattung der Kosten durch den Ortsarmenverband, welchem der Bedürftigte nach 
den geltenden armenrechtlichen Bestimmungen angehört, jedoch durch Vermittelung des Kreises, 
welchem der Ortsarmenverband zugehört. Der Kreis ist verpflichtet, dem Ortsarmenverband 
mindestens zwei Drittel dieser Kosten als Beihilfe zu gewähren. 
Kreise und Armenverbände, welche bisher schon in ausreichender Weise für einen dieser 
Zweige gesorgt haben, können wider ihren Willen nicht zur Theilnahme oder zu Kosten- 
beiträgen an den von dem Landarmenverbande zu treffenden Einrichtungen gezwungen werden. 
Streitigkeiten zwischen Ortsarmenverband und Kreis werden im Verwaltungsstreitverfahren 
entschieden. 
Im Uebrigen werden ministeriell zu genehmigende Reglements nähere Bestimmungen 
über Aufnahme und Entlassung der Pflegebedürftigen, sowie über die Höhe der an den Land- 
armenverband zu erstattenden Kosten treffen, während den Kreisen die Gewährung weiter- 
gehender Beihilfe unbenommen bleibt. 
Außerdem bestimmt noch § 31e, daß die Landarmenverbände, Kreise und die aus meh- 
reren Gemeinden und Gutsbezirken zusammengesetzten Kommunalverbände auch ferner befugt 
sind, die Fürsorge für Sieche unmittelbar zu übernehmen. Die gleiche Befugniß verbleibt den 
Kreisen und den genannten Kommunalverbänden hinsichtlich der hilfsbedürftigen Kranken. 
Ferner schreibt § 34 d G. v. 8/3. 1871 vor, daß die Landarmenverbände befugt 
sind, die ihrer Fürsorge gesetzlich anheimfallenden Personen demjenigen Ortsarmenverbande 
gegen Entschädigung zu überweisen, welcher nach § 28 U. W.G. zur vorläufigen Unterstützung 
derselben verpflichtet ist. Andererseits müssen die Landarmenverbände in ihren Armenhäusern, 
soweit es der Raum gestattet, gegen Entschädigung die der Fürsorge der Ortsarmenverbände 
anheimfallenden Personen auf Antrag dieser Verbände aufnehmen (vgl. auch §§ 38, 39 a. a. O.). 
Endlich spricht § 36 des G. v. 8/3. 1871 die Verpflichtung des Landarmenverbandes 
aus, denjenigen, ihrem Bezirke angehörigen Ortsarmenverbänden eine Beihilfe zu gewähren, 
welche den ihnen obliegenden Verpflichtungen zu genügen unvermögend sind. Ob und welche 
Beihilfe zu gewähren ist, entscheidet nach Anhörung des Kreistages auf Beschwerde des Orts- 
armenverbandes gegen die betreffende Verfügung des Landarmenverbandes endgültig der Pro- 
vinzialrath (8§ 42 Z.G.)#). 
§ 98. Die Armenfürsorge. I. Inhalt und Umfang der Unterstützungs- 
pflicht. Die Unterstützung muß für den Fall der Hilfsbedürftigkeit jedem Inländer ge- 
währt werden; nach § 1 U.W.G. ist daher jeder Deutsche in Bezug auf Maß und Art der zu 
gewährenden Unterstützung und auf den Erwerb und Verlust des Unterstützungswohnsitzes als 
Inländer zu behandeln. Als Deutscher gilt jedoch nur derjenige, welcher dem Geltungsbereiche 
des Unterstützungswohnungsgesetzes angehört (Ausf.G. v. 8/3. 1871 § 69). 
Das Maß der den Inländern zu gewährender Unterstützung ist nach § 8 U.G.W. durch 
die Landesgesetze zu bestimmen. In Preußen ist gemäß § 1 Ausf.G. jedem hilfsbedürftigen 
Deutschen von dem zu seiner Unterstützung verpflichteten Armenverbande Obdach, der unent- 
  
1) Die in einigen Landestheilen bereits vorhandenen Verbände von Gemeinden und Gutsbezirken 
zur Bestreitung der Kosten einzelner besonderer Zweige der öffentlichen Armenpflege (außerordentliche 
Armenlast) bleiben aufrecht erhalten, dagegen wurden die in einigen Landestheilen bestehenden Ver- 
pflichtungen zur Bestreitung einzelner besonderer Zweige der öffentlichen Armenpflege insoweit ausge- 
hoben, als diese Verpflichtungen nicht auf besonderen Rechtstiteln beruhten (§8 32 u. 33 G. v. 8/3. 1871).
	        
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