Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

8 88. Die Armenfürsorge. 419 
behrliche Lebensunterhalt, die erforderliche Pflege in Krankheitsfällen und im Falle seines 
Ablebens ein angemessenes Begräbniß zu gewähren. Die Unterstützung kann geeigneten Falles 
durch Unterbringung in einem Armen= und Krankenhause und durch Anweisung der den Kräften 
des Hilfsbedürftigen entsprechenden Arbeiten außerhalb oder innerhalb eines solchen Hauses 
gewährt werden 1). Gebühren für die einem Hilfsbedürftigen geleisteten geistlichen Amts- 
handlungen haben die Armenverbände nicht zu entrichten. 
II. Die vorläufige und die endgültige Unterstützungspflicht. Jeder Hilfs- 
bedürftige muß vorläufig von demjenigen Ortsarmenverbande unterstützt werden, in dessen 
Bezirk er sich beim Eintritte der Hilfsbedürftigkeit befand. Die vorläufige Unterstützung er- 
folgt vorbehaltlich des Anspruches auf Erstattung der Kosten, bezw. auf Uebernahme des Hilfs- 
bedürftigen gegen den hierzu verpflichteten Armenverband. Wenn jedoch Personen, die im 
Gesindedienst stehen, Gesellen, Gewerbsgehilfen, Lehrlinge, an dem Orte ihres Dienstverhält- 
nisses erkranken, so hat der Ortsarmenverband des Dienstesortes die erforderliche Kur und Ver- 
pflegung zu gewähren und ein Erstattungs= oder Uebernahmsanspruch gegen einen anderen 
Armenverband erwächst in diesem Falle nur dann, wenn die Krankenpflege länger als sechs 
Wochen fortgesetzt wurde und nur für den über diese Frist hinausgehenden Zeitraum. Dem regreß- 
pflichtigen Armenverbande muß spätestens sieben Tage vor Ablauf des sechswöchentlichen Zeit- 
raumes Nachricht von der Erkrankung gegeben werden, widrigenfalls die Kostenerstattung erst 
von dem sieben Tage nach dem Eingange beginnenden Zeitraume an gefordert werden darf 
(U.W.G. 8§§ 28, 29). 
Zur Erstattung der einem Inländer gewährten Unterstützung, soweit sie nicht dem Orts- 
armenverbande des Dienstortes zur Last fällt, sind verpflichtet — endgültige Unterstützungs- 
pflicht —: a) wenn der Unterstützte einen Unterstützungswohnsitz hat, der Ortsarmenverband 
seines Unterstützungswohnsitzes; b) wenn er keinen Unterstützungswohnsitz hat, derjenige 
Landarmenverband, in dessen Bezirk er sich beim Eintritte der Hilfsbedürftigkeit befand, oder, 
falls er in einem hilfsbedürftigen Zustande aus einer Straf-, Kranken-, Bewahr= oder Heil- 
anstalt entlassen wurde, derjenige Landarmenverband, aus welchem seine Einlieferung in die 
Anstalt erfolgte. Die Höhe der zu erstattenden Kosten richtet sich nach der am Orte der statt- 
gehabten Unterstützung über das Maß der öffentlichen Unterstützung Hilfsbedürftiger geltenden 
Grundsätzen, ohne daß dabei die allgemeinen Verwaltungskosten der Armenanstalten, sowie 
besondere Gebühren für die Hilfeleistung fest remunerirter Armenärzte in Ansatz gebracht 
werden dürfen. Für häufiger vorkommende Aufwendungen, deren täglicher oder wöchentlicher 
Betrag sich in Pauschquanten feststellen läßt, kann in jedem Bundesstaate entweder für das 
ganze Staatsgebiet gleichmäßig oder bezirksweise verschieden ein Tarif aufgestellt und öffentlich 
bekannt gemacht werden, dessen Sätze die Erstattungsforderung nicht übersteigen darf (U. W.G. 
§ 30). In Preußen ist durch § 25 Ausf.G. die Aufstellung dieser Tarife dem Minister des 
Innern nach Anhörung der Provinzialvertretungen, bezw. Kommunallandtage überlassen worden 
und bei den geltenden Tarifen soll es bis zu deren Abänderung in der gedachten Weise sein 
Bewenden haben. (Tarif v. 2/7. 1876 und Abänderung v. 8/2. 1879, M.Bl. d. i. V. 1876 
S. 259 u. 1879 S. 50, Brauchitsch Bd. III (10. Aufl.] S. 514). 
Der zur Kostenerstattung verpflichtete Armenverband hat auch die Pflicht zur Ueber- 
nahme eines hilfsbedürftigen Inländers, wenn die Unterstützung aus anderen Gründen als 
wegen einer nur vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit nothwendig geworden ist. Der übernahms- 
  
1) Nach A.L, R. II, 19 §§ 16—24 soll die Verpflegung der Armen möglichst durch Unterbringung 
derselben in die öffentlichen Armenhäuser bewirkt und follen diejenigen Armen, deren Versorgung den 
Landarmenverbänden obliegt, in die Landarmenhäuser aufgenommen werden (ogl. über die öffentlichen 
Armenanstalten Rönne g. a. O., 1IV, S. 183 ff. und über die Armenfürsorge, namentlich auch die 
Verbindung der öffentlichen und der privaten Armenpflege Münsterberg, Art, Armenverwaltung 
in Stengel's Wörterbuch des Verw.-Rechts, I, S. 83 ff.). 
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