420 Sechstes Buch: Die Landesverwaltung. II. Kapitel. § 99
pflichtige Armenverband kann die Ueberführung des Hilfsbedürftigen in seine unmittelbare
Fürsorge beantragen, muß aber dann die Ueberführungskosten tragen. Beantragt der über-
nahmspflichtige Armenverband die Ueberführung und diese unterbleibt oder verzögert sich durch
die Schuld des vorläufig zur Uebernahme verpflichteten Armenverbandes, so verwirkt der letztere
dadurch für die Folgezeit, bezw. für die Zeit der Verzögerung den Anspruch auf Kostenerstatt-
ung (u.W.G. 88 31, 32).
Muß ein Inländer, welcher keinen Unterstützungswohnsitz hat, auf Verlangen aus-
ländischer Staatsbehörden aus dem Auslande übernommen werden und ist der Fall der Hilfs-
bedürftigkeit entweder bei der Uebernahme vorhanden, oder tritt er innerhalb sieben Tagen nach
derselben ein, so liegt, wie schon in § 96 erwähnt, die Erstattungs= und Uebernahmepflicht
demjenigen Bundesstaate ob, innerhalb dessen der Hilfsbedürftige seinen letzten Unterstützungs-
wohnsitz gehabt hat. Es kann jedoch nach § 33 U.W.G. jeder Bundesstaat diese Verpflichtung
auf seine Armenverbände übertragen, demgemäß hat § 37 Ausf.G. bestimmt, daß die Erstatt-
ungs= und Uebernahmeverpflichtung demjenigen Landarmenverbande obliegt, in dessen Bezirk
der Hilfsbedürftige seinen letzten Unterstützungswohnsitz gehabt hat. Läßt sich dieser Unter-
stützungswohnsitz nicht ermitteln, so ist der Landarmenverband zur Tragung der Kosten ver-
pflichtet, in dessen Bezirk die Hilfsbedürftigkeit hervorgetreten ist.
Ausländer, einschließlich der Bayern und Elsatz-Lothringer, müssen vorläufig von dem-
jenigen Ortsarmenverbande unterstützt werden, in dessen Bezirk sie sich beim Eintritte der
Hilfsbedürftigkeit befinden. Zur Erstattung der Kosten, bezw. zur Uebernahme des hilfsbe-
dürftigen Ausländers ist derjenige Bundesstaat verpflichtet, welchem der Ortsarmenverband
der vorläufigen Unterstützung angehört, jedoch kann jeder Bundesstaat im Wege der Landes-
gesetzgebung diese Verpflichtung auf seine Armenverbände übertragen (U. W.G. 8§ 60).
Nach § 64 preuß. Ausf.G. soll jeder Ausländer, so lange ihm der Aufenthalt im In-
lande gestattet ist, in Bezug auf Art und Maß der Unterstützung und auf Erwerb und Verlust
des Unterstützungswohnsitzes dem Inländer gleich behandelt werden.
§ 99. Das Verfahren in Armensachen und die Armenstreitsachen. I. Das Ver-
fahren in Armensachen. Die den Armenverbänden obliegende Pflicht zur Armenfürsorge ist
eine öffentlich-rechtliche Pflicht, welche zwangsweise durchgeführt werden kann, dem Hilfsbe-
bedürftigen hat aber das Gesetz kein subjektives Recht eingeräumt, er kann daher weder vor
den Civilgerichten noch vor den Verwaltungsgerichten auf Unterstützung klagen; glaubt er sich
beeinträchtigt, weil ihm entweder überhaupt die Unterstützung versagt worden ist, oder die ihm
gewährte Unterstützung nach Art oder Maß den bestehenden Vorschriften widerspricht, so kann
er nur die einfache Verwaltungsbeschwerde an die vorgesetzte Behörde erheben. Beschwerden
von Armen gegen Verfügungen der Ortsarmenverbände darüber, ob, in welcher Höhe und in
welcher Weise Unterstützungen zu gewähren sind, unterliegen, soferne eine Stadt von mehr als
10000 Einwohnern (in Hannover überhaupt eine Stadt, mit Ausnahme der in § 27 hannov.
Kr. O. genannten) an dem Armenverbande betheiligt ist, der endgültigen Beschlußfassung
des Bezirksausschusses, andernfalls der endgültigen Beschlußfassung des Kreisausschusses.
Desgleichen unterliegen Beschwerden von Armen gegen Verfügungen von nur aus einem Kreise
bestehenden Landarmenverbänden über die Art und Höhe der Unterstützung der endgültigen Be-
schlußfassung des Bezirksausschusses (§ 63 Ausf.G., § 41 Z.G.).
Dagegen kann allerdings zwischen zwei oder mehreren Armenverbänden ein Rechtsstreit
darüber entstehen, welcher von ihnen zur Unterstützung verpflichtet ist, beziehungsweise ob Ersatz
für eine vorläufig geleistete Unterstützung oder Uebernahme eines Hilfsbedürftigen durch den
angeblich zur endgültigen Unterstützung verpflichteten Armenverbande begehrt werden könne.
Da die Verpflichtung der Armenverbände eine öffentlich-rechtliche ist, so haben Streitigkeiten
über diese Verpflichtung den Charakter von Verwaltungsrechtsstreitigkeiten. Das Reichsgesetz
über den Unterstützungswohnsitz stellt es nun im Allgemeinen der Landesgesetzgebung anheim,