Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

424 Sechstes Buch: Die Landesverwaltung II. Kapitel. 8 100. 
unterstützen hat, das Recht, Ersatz derjenigen Leistungen, zu deren Gewährung ein Dritter aus 
anderen als den durch das Reichsgesetz über den Unterstützungswohnsitz begründeten Titeln 
verpflichtet ist, von dem Verpflichteten in demselben Maße und unter denselben Voraussetzungen 
zu verlangen, als dem Unterstützten auf jene Leistungen ein Recht zusteht (§§ 61, 62 U. W.G.. 
Nach § 65 Ausf.G. und § 43 Z.G. können auf Antrag des Armenverbandes, der einen Hilfs- 
bedürftigen unterstützen muß, durch einen mit Gründen versehenen Beschluß des Kreis( Stadt)= 
Ausschusses nach Anhörung der Betheiligten der Ehemann, die Ehefrau, die ehelichen Eltern, 
die uneheliche Mutter, sowie die ehelichen Kinder und die unehelichen Kinder in Beziehung auf 
die Mutter angehalten werden, dem Hilfsbedürftigen nach Maßgabe ihrer gesetzlichen Ver- 
pflichtung die erforderliche laufende Unterstützung zu gewähren. Die Beschlußfassung, welche 
vorbehaltlich des ordentlichen Rechtsweges endgültig ist, steht dem Kreisausschusse desjenigen 
Armenverbandes zu, in welchem der im Anspruch genommene Hilfsbedürftige seinen Wohnsite, 
eventuell seinen Aufenhalt hat. Die Entscheidungen sind vorläufig und so lange vollstreckbar, 
bis mittelst rechtskräftigen gerichtlichen Urtheiles eine abändernde Entscheidung erfolgt ist. Ist 
eine solche Entscheidung ergangen, so hat der Armenverband den in Anspruch genommenen An- 
gehörigen das bis dahin Geleistete, bezw. das zu viel Geleistete zu erstatten und ist im Weiger- 
ungsfalle hierzu im Aufsichtswege anzuhalten. Hat jedoch der einen solchen Ersatz Fordernde 
die gerichtliche Klage nicht innerhalb sechs Monaten nach Zustellung des von ihm angefochtenen 
Beschlusses der Verwaltungsbehörde angebracht, so kann er nur dasjenige zurückfordern, was 
er für den Zeitraum seit Anbringung der Klage zu viel geleistet hat (§§ 67, 68 Ausf.G., 
vgl. auch Art. III Nov. v. 11/7. 1891). 
2. Abschnitt: 
Die Arbeiterversicherung. 
§ 100. Allgemeines 1). I. Die Arbeiterversicherung, welche hier im Anschlusse an das 
Armenrecht dargestellt werden soll, steht allerdings insoferne mit dem Armenwesen im Zu- 
sammenhang, als durch die Durchführung der Arbeiterversicherung eine sehr erhebliche Ver- 
minderung der Armenlasten eingetreten ist und noch in höherem Grade eintreten wird. Im 
Uebrigen reicht die Arbeiterversicherung weit über das Gebiet des Armenwesens hinaus, sie 
gehört ebenso wie der Arbeiterschutz der sog. sozialen Verwaltung an, deren Aufgabe es ist, die 
Auswüchse der bestehenden kapitalistischen Wirthschaftsordnung zu beseitigen und die arbeiten- 
ben Klassen gegen die Ausbeutung der Arbeitgeber und gegen die Wechselfälle des Lebens zu 
ützen. 
In der Allerh. Botschaft v. 17/11. 1881 war in Aussicht genommen ein Gesetz über 
die Versicherung der Arbeiter gegen Betriebsunfälle, als Ergänzung dazu eine gleichmäßige 
Organisation des gewerblichen Krankenkassenwesens und endlich staatliche Fürsorge für die 
durch Alter und Invalidität erwerbsunfähig werdenden Arbeiter. Dieses Programm ist durch 
eine ganze Anzahl von Reichsgesetzen verwirklicht worden, welche sämmtlich auf dem Ver- 
sicherungszwang beruhen, also nicht privatrechtliche, sondern öffentliche Versicherungsver- 
hältnisse begründen. 
Das erste Gesetz, welches erlassen wurde, war das Reichsgesetz, betreffend die Kranken- 
versicherung der Arbeiter v. 15/6. 1883 (R.G. Bl. S. 73). Das nächste Gesetz war das Un- 
fallversicherungs-G. v. 6/7. 1884 (R.G.Bl. S. 69). Hierauf ergingen das G. v. 28/5. 1885 
  
laufenden Unterstützung von den in § 61 Abs. 1 G. v. 8/3. 1871 aufgeführten Personen nach Maß- 
gabe ihrer gesetzlichen Verpflichtung zu fordern. 
1) Stein, Handbuch der Verw.-Lehre, 3. Aufl. (1888), S. 3 ff. — Rosin, das Recht der 
Arbeiterversicherung, l. Bd., 1893. — Piloty, die Arbeiterversicherungsgesetze des deutschen Reiches, 
2 RBde. (1890/2.
	        
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