Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

8 102. Die Unfallversicherung. 431 
§ 102. Die Unfallversicherung 1). I. Die Unfallversicherung ist durch eine Reihe von 
Reichsgesetzen geregelt, nämlich: 1. Das Unfallversicherungs-G. v. 6/7. 1884 (R.G. Bl. S.69), 
welches zunächst in der Hauptsache die Arbeiter in Bergwerken, Fabriken und in gewissen Hoch- 
baubetrieben betraf; 2. das G. v. 28/5. 1885, über die Ausdehnung der Unfall= und Kranken- 
versicherung (R.G.Bl. S. 159ff.) das sogen. Ausdehnungsgesetz, das namentlich die Transport- 
gewerbe und die Betriebe der Marine und Heeresverwaltungen in den Kreis der versicherungs- 
pflichtigen Betriebe zog; 3. das G. v. 5/5. 1886 betreffend die Unfall= und Krankenversicherung 
der in land= und forstwirthschaftlichen Betrieben beschäftigten Personen (R.G.Bl. S. 131); 
4. das G. v. 11/7. 1887, betreffend die Unfallversicherung der bei Bauten beschäftigten Per- 
sonen (R.G.Bl. S. 287 ff.); 5. das G. v. 13/7. 1887 betreffend die Unfallversicherung der 
Seeleute und anderer bei der Seeschiffahrt betheiligten Personen (R.G.BBl. S. 329 ff). Dazu 
kommt noch 6. das G. v. 15/3. 1886, betreffend die Fürsorge für Beamte und Personen des 
Soldatenstandes in Folge von Betriebsunfällen (R.G.Bl. S. 53). 
JI. Umfang der Unfallversicherung. Der Unfallversicherung unterliegen die Ar- 
beiter und Betriebsbeamten, — diese soferne ihr Jahresarbeitsverdienst 2000 M. nicht über- 
steigt — in Bergwerken, Salinen, Aufbereitungsanstalten, Steinbrüchen, Gräbereien, auf 
Werften und Bauhöfen, in Fabriken, Hüttenwerken und sonstigen mit elementarer Kraft be- 
wegten Triebwerken; der Transportgewerbe (Eisenbahn-, Post-, Telegraphen-, Binnenschiff- 
fahrts-, Flößerei-, Fuhrwerkbetriebe), der Betriebe der Heeres= und Marineverwaltungen, sowie 
einiger Handelsgewerbe (Speditions-, Speicher= und Kellereibetriebe); einzelner Hilfsgewerbe 
des Handels (der Betriebe der Güterpacker, Schaffer, Stauer u. s. w.); die Arbeiter und Be- 
triebsbeamten in land= und forstwirthschaftlichen Betrieben; die bei Bauten beschäftigten Per- 
sonen, die Seeleute mit Ausnahme der Mannschaften auf Fischerbooten und kleinen, nicht mehr 
als 50 chm Bruttoraum haltenden und nicht durch Maschinenkraft fortbewegten Fahrzeugen?. 
III. Gegenstand der Versicherung ist der Ersatz des Schadens, der bei dem ver- 
sicherungspflichtigen Betriebe durch Körperverletzung oder Tödtung entsteht, soferne der Ver- 
letzte oder Getödtete den Betriebsunfall nicht vorsätzlich herbeigeführt hat. Der Schadenersatz 
besteht bei Verletzungen in den Kosten des Heilverfahrens und in einer für die Dauer der Er- 
werbsunfähigkeit zu gewährenden Rente, die bei völliger Erwerbsunfähigkeit 66⅝⅜ % des Ar- 
beitsverdienstes, bei theilweiser Erwerbsunfähigkeit je nach dem Maße der verbliebenen Er- 
werbsfähigkeit einen Bruchtheil dieses Betrages beträgt ). Im Falle der Tödtung durch den 
Betriebsunfall erhalten die Hinterbliebenen ein Sterbegeld im Betrage des Zwanzigfachen des 
nach § 5 Abs. 3 U.V.G. für den Arbeitstag ermittelten Verdienstes, jedoch mindestens 30 M. 
und eine Rente, welche für die Wittwe 20%, für jedes Kind bis zum vollendeten 15. Lebens- 
jahre 15 % , für Wittwe und Kinder zusammen höchstens 60% des Arbeitsverdienstes beträgt. 
Ascendenten, deren einziger Ernährer der Verstorbene war, erhalten 20%, jedoch nur, soweit 
Wittwe und Kinder den gesetzlichen Höchstbetrag der Rente nicht für sich in Anspruch nehmen 9. 
  
1) Woedtke, Art. Unfallversicherung in Stengel's Wörterbuch des Verw.-Rechts, II, 
S. 636 ff. — Bornhak, Preuß. Staatsrecht, III, S. 464 ff. — Piloty, das Reichsunfallversicher- 
ungsrecht, 2. Bd. — Laband a. a. O., S. 200 ff. 
2) Für solche unter § 1 U.V. G. fallende Betriebe, welche mit Unfallgefahr für die darin be- 
schäftigten Personen nicht verknüpft sind, kann durch Beschluß des Bundesraths die Versicherungspflicht 
ausgeschlossen werden (§ 1 Abs. 7 U.V. G.), andererseits kann nach § 2 ibid. durch statutarische Be- 
stimmung die Versicherungspflicht auf Betriebsbeamte mit einem zweitausend Mark übersteigenden 
Jahresverdienst erstreckt werden. 
3) Bei Verletzungen wird die Entschädigung (Kosten des Heilverfahrens und Rente) erst nach 
Ablauf von 13 Wochen seit der Verletzung gewährt; während dieser Zeit tritt die Krankenversicherung 
ein. In Folge dessen fallen die die überwiegende Mehrheit bildenden kleineren Unfälle den Kranken- 
kassen zur Last. 
4) Für diejenigen Personen, welche der Unfallversicherung unterliegen, fällt bei Betriebsunfällen
	        
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