438 Sechstes Buch: Die Landesverwaltung. II. Kapitel. 8 103.
Vorstande Vertreter der Arbeitgeber und der Versicherten nicht anzugehören haben (§ 51
Abs. 1). Die Art seiner Bestellung wird durch das Statut geregelt (6 54 Ziff. 2). Obli-
gatorisch sind ferner noch Vertrauensmänner (§ 51 Abs. 3) aus dem Kreise der Arbeit-
geber und der Versicherten, über deren Bestellung und Befugnisse ebenfalls das Statut Be-
stimmung zu treffen hat (§ 54 Ziff 3). Außerdem wird für jede Versicherungsanstalt von
der Landesregierung nach Benehmen mit dem Reichskanzler ein Staatskommissar (6 63)
mit der Aufgabe bestellt, die Interessen der übrigen Versicherungsanstalten, welche insbesondere
bei der Bewilligung von Renten in Frage kommen können, sowie die Interessen des Reiches
zu wahren. Die Stelle des Staatskommissars ist der eines Staatsanwaltes ähnlich; wie
letzterer, so ist auch der Staatskommissar zur Einlegung von Rechtsmitteln (Berufung, Revi-
sion) befugt.
In Preußen besteht in jeder Provinz und im Stadtkreis Berlin je eine Versicherungs-
anstalt; die hohenzollern'schen Lande sind der Versicherungsanstalt der Rheinprovinz ange-
schlossen. An einzelne dieser Versicherungsanstalten sind auch andere Bundesstaaten ange-
schlossen; so Anhalt an die Versicherungsanstalt der Provinz Sachsen (Versicherungsanstalt
Sachsen-Anhalt), das zum Großherzogthum Oldenburg gehörige Fürstenthum Lübeck
an die Versicherungsanstalt Schleswig-Holstein, das zu demselben Bundesstaate gehörende
Fürstenthum Birkenfeld an die Versicherungsanstalt der Rheinprovinz, die Fürstenthümer
Schaumburg-Lippe und Lippe-Detmold an die Versicherungsanstalt der Provinz
Hannover, das Fürstenthum Waldeck und Pyrmont zu einem Theil (Waldeck) an die
Versicherungsanstalt der Provinz Hessen-Nassau, zum anderen Theil (Pyrmont) an die der
Provinz Hannover (vgl. Erlaß des R.K. v. 15/3. 1890, C. Bl. S. 53).
Für den Bezirk jeder Versicherungsanstalt ist mindestens ein Schiedsgericht zu er-
richten (§ 70), welches als Berufungsinstanz gegen die Entscheidungen der Vorstände über
Anträge auf Festsetzung von Renten fungirt (§ 77). Die Schiedsgerichte sind ähnlich orga-
nisirt wie die zur Durchführung der Unfallversicherung errichteten Schiedsgerichte; an der
Spitze steht ein unbetheiligter öffentlicher Beamter als Vorsitzender; die Beisitzer werden von
dem Ausschusse, und zwar zu gleichen Theilen aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern, gewählt.
Das Verfahren vor den Schiedsgerichten ist im Wesentlichen durch kaiserliche Verordnung
mit Zustimmung des Bundesrathes geregelt (§ 74).
Die Aufsicht über die Versicherungsanstalten führt neben den weiteren Kommunalver=
bänden, bezw. Bundesstaaten, welche wegen ihrer subsidiären Haftpflicht und als Disciplinar=
behörde der beamteten Vorstandsmitglieder gleichfalls zur Beaufsichtigung des Geschäftsbetriebes
legitimirt erscheinen, das Reichsversicherungsamt (§ 131), oder für diejenigen Versicher-
ungsanstalten, welche über das Gebiet eines Bundesstaates sich nicht hinaus erstrecken, das
für diesen Bundesstaat etwa errichtete Landes versicherungsamt (§ 134). Das Reichs-
versicherungsamt, und zwar mit Ausschluß der Landesversicherungsämter, fungirt ferner als
höchste Instanz bei der Festsetzung von Ansprüchen auf Rente, insofern als dasselbe ausschließ-
lich über Revisionen gegen die Entscheidungen der Schiedsgerichte, aber nur im Falle von Rechts-
verletzungen, entscheidet (§§ 80, 134). Das Verfahren vor den Schiedsgerichten und von dem
Reichsversicherungsamt ist geregelt durch kais. V. V. v. 1 12. 1890 und 20/12. 1890 (R.G. Bl.
S. 193 u. 209). Im Reichsversicherungsamt ist zum Zwecke der Vertheilung der Renten
auf die dabei in Betracht kommenden Versicherungsanstalten und zur Mitwirkung bei den stati-
stischen Arbeiten des Reichsversicherungsamtes ein besonderes Rechnungsbureau er-
richtet (8 87).
V. Die Feststellung der Renten erfolgt auf einen vom Berechtigten bei der unteren Ver-
waltungsbehörde seines Wohnortes zu stellenden und gehörig zu begründenden Antrag. Die
untere Verwaltungsbehörde leitet das Verfahren ein und hat, wenn eine Invalidenrente be-
ansprucht wird, die zuständigen Vertrauensmänner der Versicherungsanstalt und den Vorstand