8 108. Die Baupolizei. 449
straßen), 3. den Wasserbau (Ausführung und Unterhaltung der Ufer= und Hafenbauten an Flüssen,
Seen, Meeresküsten u. s. w., sowie der öffentlichen Kanäle), 4. den Eisenbahnbau.
Beim öffentlichen Bauwesen handelt es sich also um eine lediglich technische Thätigkeit.
Die Baupolizei dagegen, der grundsätzlich wenigstens sowohl öffentliche wie private Bauten
(Hochbauten, Gebäude) unterliegen, hat es zu thun mit der Verhütung von Unfällen, die
namentlich durch das Einstürzen mangelhaft aufgeführter oder baufällig gewordener Bauten
entstehen können, ferner um gesundheitspolizeiliche und feuerpolizeiliche Rücksichten bei der
Herstellung von Gebäuden, dann um die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehres auf öffent-
lichen Straßen und Wegen, endlich auch um die Verhütung der Verunstaltung von Plätzen und
Straßen in Städten y.
II. Zur Leitung und Beaufsichtigung der Bauten des Staates bestehen besondere staat-
liche Baubehörden, welche auch bei Handhabung der Baupolizei mitzuwirken haben. Die
Centralbehörde des Bauwesens ist das Ministerium der öffentlichen Arbeiten, in welchem das
Bauwesen die dritte Abtheilung bildet. Dieselbe bearbeitet gleichzeitig die Angelegenheiten
des Land= und Wasserbaues und die Baupolizeiangelegenheiten. Unter ihr steht neben den
Prüfungskommissionen die Akademie des Bauwesens, die wichtigere öffentliche Bauten in künst-
licher und wissenschaftlicher Beziehung zu beurtheilen hat und in die Abtheilungen für Hoch-
bau und für Ingenieur= und Maschinenwesen zerfällt. Die Mittelinstanz bildet der Regier-
ungspräsident, dem ein Regierungs= und Baurath beigegeben ist. Nach § 47 der Regierungs-
Instr. v. 23/10. 1817 hat der Baurath die Aufsicht über das gesammte Bauwesen im Regier-
ungsbezirke und die Sorge für die tüchtige und zweckmäßige Ausführung der öffentlichen Bauten,
die Aufsicht über die Baubeamten und Aufseher der Gebäude und öffentlichen Bauanlagen
aller Art, die Revision aller Bauanschläge u. s. w. Die Entscheidung in Baupolizeisachen
hat der Regierungspräsident, der sich hierbei der Mitwirkung des Baurathes bedient.
Lokalbaubehörden sind die Kreisbaubeamten (Kreisbau-Inspektoren), deren Thätigkeit
sich nach Uebergang des Wegebaues auf die Provinzialverbände im Wesentlichen auf den
Hochbau und den Wasserbau beschränkt; für beide Zweige sind in der Regel besondere Bau-
kreise abgegrenzt und besondere Beamte angestellt. Die Kreisbaubeamten sind die technischen
Organe der allgemeinen Polizeibehörden bei Handhabung der Baupolizei.
Die Anstellung im Staatsdienste für das Bau= und Maschinenfach setzt eine bestimmte
Vorbildung und das Bestehen zweier Prüfungen voraus. Dieerste Prüfung, der ein mindestens
vierjähriges Studium auf einer technischen Hochschule vorausgehen muß, ist bei einem der
technischen Prüfungsämter (Berlin, Hannover, Aachen) abzulegen. Auf Grund der bestandenen
Prüfung erfolgt die Ernennung zum Regierungsbauführer, bezw. Regierungsmaschinenbau-
führer. Der zweiten vor dem technischen Oberprüfungsamte in Berlin abzulegenden Prüfung
muß eine mindestens dreijährige praktische Ausbildung vorausgehen. Das Bestehen der Prüf-
ung berechtigt zur Führung des Titels „Regierungsbaumeister“.
III. Das öffentliche Bauwesen des Staates ist hier nicht weiter zu besprechen (vgl. dar-
über § 61,III). Hier ist lediglich die Baupolizei zu berücksichtigen.
Ein vollständig kodifizirtes Baupolizeirecht besitzt Preußen nicht, nur einzelne Gegen-
stände sind gesetzlich geregelt, im Uebrigen bestehen nur für einzelne Ortschaften oder größere
Bezirke gültige Polizeiverordnungen (Bauordnungen)2).
Die baupolizeilichen Vorschriften gehen aus vom Grundsatze, daß jeder Eigenthümer
zunächst berechtigt ist, sein Grundstück nach seinem Ermessen zu bebauen. Die baupolizeilichen
1) Dagegen ist es nicht Aufgabe der Baupolizei, positiv für schöne Bauten zu sorgen und dem
entsprechend den Bauherren gewisse Auflagen zu machen. Erk. d. O V.G. v. 14/6. 1882., Bd. 1X,
S. 353 ff.
2) Vgl. die Zusammenstellung von wichtigen Bauordnungen bei Rönne a. a. O., S. 303,
N. 1 u. S. 304, N. 5; und bei Leuthold, „Baupolizei“ a. a. O., S. 127.
Handbuch des Oeffentlichen Rechts II, Zweite Auflage: Preußen. 29