464 Sechstes Buch: Die Landesverwaltung. III. Kapitel. § 112.
des G. v. 10/4. 1872 durch die Amtsblätter zu verkünden. Mit dem Zeitpunkte des In-
krafttretens des verkündeten Statutes gilt die Genossenschaft als begründet (8§ 56—58).
Die Auflösung der Genossenschaft kann in gewissen Fällen vom Minister beschlossen,
ebenso kann sie von der Genossenschaft selbst beschlossen werden, bedarf aber dann ebenfalls der
Genehmigung des zuständigen Ministers (§5 61—64).
Die öffentlichen Genossenschaften sind der Aufsicht des Staates unterworfen. Die Auf-
sicht ist darauf beschränkt, daß die Angelegenheiten der Genossenschaften in Uebereinstimmung
mit dem Statut und den Gesetzen verwaltet werden; innerhalb dieses Umfanges wird sie mit
den Befugnissen gehandhabt, welche gesetzlich den Aufsichtsbehörden der Gemeinden zustehen.
Die Aufsicht wird bei Genossenschaften zur Anlegung und Verbesserung von Wasserstraßen
(Flößereien) und anderen Schiffahrtsanlagen vom Regierungspräsidenten und in der Beschwerde-
instanz vom Oberpräsidenten, bei allen anderen Genossenschaften vom Landrathe als Vorsitz-
enden des Kreisausschusses, in Stadtkreisen von der Ortspolizeibehörde, in der Beschwerde-
instanz vom Regierungspräsidenten geführt (68 49—51 a. a. O., § 94 Z. G.).
Die Beitragspflicht zu den Genossenschaftslasten ist den gemeinen öffentlichen Lasten
gleichzuachten. Wird die Zugehörigkeit zur Genossenschaft, insonderheit die Verpflichtung zur
Theilnahme an den Lasten, streitig, so hat hierüber der Genossenschaftsvorstand Bescheid zu
ertheilen, gegen den Vescheid findet innerhalb vierzehn Tagen die Klage beim Kreis-(Stadt-)
Ausschusse und, insofern die Genossenschaft unter der Aufsicht des Regierungspräsidenten steht,
die Klage beim Bezirksausschusse statt (§8 52, 53 d. G., § 94 Z.G., § 51 L.V.G.).
Der Vorstand kann die in Ausübung seiner Befugnisse gegen einzelne Genossen ge-
richteten Anordnungen auf Kosten der Ungehorsamen zur Ausführung bringen oder nöthigen
Falles mittelst vorher angedrohter Ordnungsstrafen bis zu 30 M. aufrecht erhalten; in Be-
treff der Rechtsmittel gegen die Androhung, Festsetzung und Ausführung des Zwangsmittels
finden die Bestimmungen des § 132 L.V.G. Anwendung (§ 564 d. G., § 94 Z. G.). Rück-
ständige Beiträge, sowie die in § 54 erwähnten Kosten und Strafen können im Wege der ad-
ministrativen Exekution beigetrieben werden (§ 55 d. G.)
8 112. Das öffentliche Wegerecht 1). I. Preußen besitzt eine einheitliche die Ver-
hältnisse der öffentlichen Wege regelnde Gesetzgebung nicht?). Das Wegerecht ist vielmehr
nach den verschiedenen Provinzen sowohl, wie theilweise auch nach einzelnen Gebieten inner-
halb der Provinzen verschieden und in seinen einzelnen Bestimmungen höchst mannigfaltig.
Der wiederholt gemachte Versuch, eine einheitliche Wegeordnung zu Stande zu bringen, ist
gescheitert. Jetzt scheint der Plan einer einheitlichen Codifikation des Wegerechtes für die
ganze Monarchie bezw. den größeren Theil derselben überhaupt aufgegeben zu sein, und die
Absicht zu bestehen, lediglich Spezialgesetze für die einzelnen Provinzen, bezw. in Bezug auf
die Regelung besonders bedürftiger Punkte zu erlassen.
Zu erwähnen sind in dieser Beziehung die Gesetze, über die Heranziehung von Fabriken u. s. w.
zu Vorausleistungen für den Wegebau nämlich a) G. v. 28/5. 1887 (G. S. S. 277) für die Provinz
Sachsen, b) G. v. 14/5. 1888 (G. S. S. 116) für Westfalen, c) G. v. 16/4. 1889 (G. S. S. 100) für
Schlesien, d) G. v. 27/6. 1890 (G.S. S. 225) für den Regierungsbezirk Wiesbaden, e) G. v. 2/7. 1891
1) Rönne, das Staatsrecht der preuß. Monarchie, 4. Aufl., IV, S. 549 ff. — Bornhak,
Preuß. Staatsrecht, III, S. 413 ff. — Huc de Grais, Handbuch der Verfassung und Verwaltung,
S. 483. — Reitzenstein, Art. Wege und Straßen, Wegebau und Wegebaupflicht Wege-
polizei in Stengel's Wörterbuch des Verwaltungsrechtes, II, S. 875 ff., S. 888 ff., S. 912 ff. und
J, Erg.-Bd. S. 100 ff. — Simon, die hannover'schen Wegegesetze 1888. — Bittmann, Handbuch
der gesetzlichen Bestimmungen über die Chausseen 1890. — Grotefond, Preuß. Verwaltungs-Recht,
II, S. 510 ff. — Germershausen, das Wegerecht und die Wegeverwaltung in Preußen (1889).
— Schultze, Zum preuß. Wegerecht 1893.
2) Das Reich hat von der ihm durch Art. 45 R.V. beigelegten Zuständigkeit in Bezug auf Land-
straßen, welche im Interesse der Landesvertheidigung und des allgemeinen Verkehrs herzustellen sind,
noch keinen Gebrauch gemacht.