480 Sechstes Buch: Die Landesverwaltung. III. Kapitel. 8 116.
In den ehemals kurhessischen und bayerischen Gebietstheilen, dann in den ehe—
mals großherzoglich-hessischen und den nassauischen Gebietstheilen war die Regulirung
der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse und die Aufhebung der Reallasten schon durch die
frühere Gesetzgebung erfolgt, es handelte sich daher nur noch darum, das in diesen Gebiets-
theilen geltende Recht möglichst mit der altländischen Gesetzgebung in Uebereinstimmung zu
bringen. Es geschah dies durch die G. v. 23/7. 1876 und 2/2. 1879 (G. S. 1876 S. 357,
G. S. 1879 S. 16) für den Regierungsbezirk Kassel mit Ausnahme der ehemals großherzog-
lich-hessischen Gebietstheile und durch die GG. v. 5/4. 1869, 15/2. 1872 und 16/6. 1876
(G. S. 1869 S. 517, 1872 S. 165, 1876 S. 369) für die ehemals großherzoglich-hessischen
und die nassauischen Gebietstheile.
III. Neben der Regulirung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse handelte es sich auch
um die Beseitung der sogenannten Gemeinheitent9), d. h. der gemeinsamen Nutzung mehrerer
Berechtigten an ländlichen Grundstücken, insbesondere Aeckern, Wiesen und Waldungen, die sich
aus der alten Feldgemeinschaft und Markgenossenschaft noch erhalten hatte. In dieser Be-
ziehung waren schon in den Jahren 1769—1771 für einzelne Landestheile Gemeinheitstheil-
ungsordnungen ergangen, die jedoch durch das A.L.R. I, 17 §§ 311 ersetzt wurden. An Stelle
der Bestimmungen des Allgemeinen Landrechtes trat dann für die landrechtlichen Gebietstheile
die Gemeinheitstheilungs-O. v. 7/6. 1821 (G. S. S. 53), welche durch das G. v. 2/3. 1850
ergänzt wurde. Dieselbe gilt in den Provinzen Ost= und West-Preußen, Posen, Pommern
mit Ausnahme von Neuvorpommern und Rügen, Brandenburg, Schlesien, Sachsen, Westfalen
und die Kreise Rees, Duisburg, Essen, Mülheim a. d. Ruhr und Ruhrort in der Rheinprovinz.
Nach diesen Gesetzen unterliegen der Aufhebung durch Theilung der Gemeinheit die Weide-
berechtigungen auf Aeckern, Wiesen, Aengern, Forsten und sonstigen Weideplätzen, die Forst-
berechtigungen zur Mast, zum Mitgenuß des Holzes und zum Streuholen, die Berechtigungen
zum Plaggen, Haide= und Bültenhieb, gleichgültig ob diese Rechte auf gemeinschaftlichem Eigen-
thum oder einseitigen oder wechselseitigen Dienstbarkeiten beruhen, ferner die Berechtigungen
zur Gräserei, zur Nutzung von Schilf, Binsen oder Rohr auf Ländereien oder Privatgewässern,
zum Krautpflücken, Nachrechen, zur Nutzung fremder Aecker zur Düngerhergabe, zum Frucht-
gewinne von einzelnen Stücken fremder Aecker, zum Harzscharren, zur Fischerei in Privat-
gewässern und zur Torfnutzung, soweit sie auf einem Dienstbarkeitsrechte beruhen 2). Kann
die Theilung nicht anders als durch Umtausch der zur Ortsfeldmark gehörigen Ackerländereien
durchgeführt werden, so soll sie nach der V. v. 28/7. 1838 (GS. S. 429) nur zulässig sein,
wenn die Besitzer des vierten Theiles der Ackerländereien, die durch den Umtausch betroffen
werden, mit der Separation einverstanden sind. Die Aufhebung der Gemeinheit erfolgt gegen
eine je nach den Theilnahmsrechten der Betheiligten zu bemessende Entschädigung und zwar
in der Regel in Land (ausnahmsweise durch feste Geldrenten) unter möglichster Zusammen-
legung der Landabfindung jedes Interessenten.
Für die Rheinprovinz, mit Ausnahme der oben aufgeführten Kreise und für Neu-
vorpommern und Rügen erging am 19/5. 1851 eine besondere Gemeinheitstheilungsord-
nung (G. S. S. 351), welche sich an das im landrechtlichen Gebiete geltende Recht anschloß,
aber in § 18 bestimmte, daß kein Besitzer genöthigt werden kann, sich einer Umlegung der-
jenigen seiner Grundstücke, die er nicht zur Abfindung aufzuhebender Berechtigungen abtreten
muß, behufs Erlangung einer wirthschaftlichen Lage zu unterwerfen, während in Neuvorpom.
mern und Rügen die Umlegung vermischt untereinander liegender Grundstücke — agri inter-
mixti — zulässig blieb, insoweit die V. v. 18/11. 1775 solche gestattete (vgl. auch V. v. 20/9.
1) Vgl. Glatzel, Art. Gemeinheitsmittheilungen in Preußen in Stengel's Wörterbuch
des Verw.-Rechtes, I. S. 548 ff.
2) Bezüglich der Theilbarkeit gemeinschafilicher Holzungen vgl. das G. v. 14/3.1881 (G. S. S 261).