Zweites Buch.
Staat und Staatgverfassung.
I. Kapitel.
Das Staatsoberhaupt.
§ 11. Preußen eine konstitutionelle Erbmonarchie, die Stellung des Königs im
Allgemeinen 1). I. Preußen ist eine Monarchie, d. h. ein Staat, in welchem die ge-
sammte Staatsgewalt Einer Person zu eigenem Rechte zusteht 2), denn das Wesen der
Monarchie beruht darin, daß der Monarch die Staatsgewalt nicht in fremdem Namen und im
Auftrage des wirklichen Inhabers derselben ausübt, wie der Präsident einer Republik, sondern
daß er selbst Inhaber der Staatsgewalt ist, und daher sein Recht der Ausübung derselben
nicht auf das Recht eines Dritten zurückführen muß, der ihm die Befugniß zur Ausübung der
Staatsgewalt wieder nehmen könnte. Dies gilt auch von den Wahlmonarchen, denn die Wahl
ist nur die Art und Weise in welcher der erledigte Thron besetzt wird, der Gewählte ist aber
nicht Stellvertreter oder Bevollmächtigter der Wähler. Noch schärfer tritt der besondere Cha-
rakter der monarchischen Staatsform in der Erbmonarchie zu Tage, in der die grundgesetzlich
festgestellte Erbfolgeordnung jeweils denjenigen ergiebt, der Inhaber der Staatsgewalt ist.
Preußen ist eine Erbmonarchie, denn nach Artikel 53 Verfassungsurkunde ist die Krone den
Königlichen Hausgesetzen gemäß erblich in dem Mannsstamme des Königlichen Hauses nach
dem Rechte der Erstgeburt und der agnatischen Linealfolge.
II. Preußen ist aber ferner eine konstitutionelle Erbmonarchic, d. h. der Monarch
ist bei Ausübung der Staatsgewalt nach Maßgabe des Grundgesetzes, das er für sich allein
zu ändern nicht befugt ist, in der Weise beschränkt, daß er die Staatsgewalt überhaupt oder
einzelne Theile derselben nur unter Beobachtung gewisser gesetzlich vorgeschriebener Förmlich-
keiten (Gegenzeichnung der Minister u. s. w.) oder unter Mitwirkung anderer Organe des Staats,
insbesondere der Volksvertretung, ausüben kann.
Während die Verfassungsurkunden mancher Staaten die Stellung des Monarchen dahin
näher kennzeichnen, daß sie an der Spitze den Satz stellen, daß der König als Oberhaupt des
Staates in sich alle Rechte der Staatsgewalt vereinigt, enthält die preußische Verfassungsur--
kunde eine derartige Bestimmung nicht. Titel III der Verfassungsurkunde zählt nur einzelne
besonders wichtige Rechte des Königs auf; die Stellung des Königs von Preußen ist aber durch
den Inhalt des Tit. III keineswegs erschöpfend bezeichnet und umgrenzt. Die Stellung und
die Fülle der dem Könige zustehenden Gewalt ergiebt sich vielmehr aus der geschichtlichen Ent-
wickelung des preußischen Staats und des preußischen Königthums, sowie dem zur Zeit des
Erlasses der preußischen Verfassungsurkunde geltenden Verfassungsrechte. Preußen war aber
bis zur Verkündigung der oktroirten Verfassung vom 5/12. 1848 eine absolute Monarchie,
und die Stellung des Königs von Preußen ergab sich einfach aus dem Begriff des absoluten
1) H. Schulze, das preuß. Staatsrecht, 2. Aufl. I Bd. S. 142 ff. — Rönne, das Staats-
recht der preuß. Monarchie. 4 Aufl. I. Bd. S. 138 ff., 150 ff. — Bornhak, Preuß. Staatsrecht,
I. Bd. S. 127 ff. [— Arndt, die Verf--Urk. für den preuß. Staat, S. 16 ff. — Schulze, Deut-
sches Staatsrecht I. S. 185 ff. — Brie, Art, „Landesherr“ in Stengels Wörterbuch des Verw.-
Rechts, II, S. 7 ff. .
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