502 Sechstes Buch: Die Landesverwaltung. III. Kapitel. §– 122.
und Rekursinstanz. Außerdem bilden sie für verschiedene ihnen vom Berggesetze ausdrücklich
übertragene Angelegenheiten (Bergpolizei, gewerkschaftliche Verhältnisse u. s. w.) die erste In-
stanz. Ferner haben sie die Handhabung der Disciplin über die ihnen unterstellten Beamten,
die Aufsicht über die Markscheider und die Konzessionirung derselben u. s. w. Gegen die Ver-
fügungen und Beschlüsse der Revierbeamten ist der Rekurs an das Oberbergamt, gegen Verfüg-
ungen und Beschlüsse des Oberbergamtes Rekurs an den Minister zulässig, die Rekursfrist
beträgt vier Wochen?#).
§ 122. Gewerbe und Industrie 2). I. Preußen war der erste Staat in Deutschland, der die
Gewerbefreiheit einführte; es war dies eine Maßregel, die sich als eine selbstverständliche Folgerung aus
der Stein-Hardenberg'schen Reformgesetzgebung darstellte, deren Ziel namentlich die Befreiung des wirth-
schaftlichen Lebens von den aus der ständischen Gesellschaftsordnung noch erhaltenen Beschränkungen
war. Das Ed. v. 2/11. 1810 über die Einführung einer allgemeinen Gewerbesteuer (G. S. S. 79)
beseitigte nämlich in Beziehung auf den Gewerbebetrieb jeden Unterschied zwischen Stadt und Land,
sowie alle bis dahin den Zünften und Innungen oder einzelnen Privatpersonen zustehenden oder mit
dem Besitze von Grundstücken verbundenen Vorrechte und sprach den Grundsatz aus, daß zum Betriebe
eines jeden Gewerbes die Lösung eines Gewerbescheines erforderlich, aber auch ausreichend sei. Im
Anschlusse daran hat dann das Ed. v. 7/9. 1811, betr. die polizeilichen Verhältnisse der Gewerbe (G.S.
S. 263), die Gewerbefreiheit aus polizeilichen Gründen gewissen Beschränkungen unterworfen. In den
im Jahre 1815 wieder-, bezw. neuerworbenen Landestheilen blieben die bestehenden gewerbepolizeilichen
Vorschriften aufrecht erhalten, während die gewerbesteuerlichen Vorschriften des Ed. v. 2/11. 1810 zur
Einführung gelangten, die jedoch durch das G. v. 30/5. 1820 wegen Entrichtung der Gewerbesteuer
(G. S. S. 147) ersetzt wurden. Eine Neuregelung des Gewerbewesens für die ganze Monarchie erfolgte
durch die allg. Gew.O. v. 17/1. 1845 (G. S. S. 41). Dieselbe beruhte auf dem Grundsatze der Ge-
werbefreiheit, beseitigte demgemäß alle zur Zeit ihrer Verkündigung noch bestehenden Beschränkungen
des Gewerbebetriebs und bestimmte, daß zum selbstständigen Gewerbebetrieb in der Regel nur Dispositions-
fähigkeit und fester Wohnsitz erforderlich sei; bei mit Gefahren oder Nachtheilen für das Publikum ver-
bundenen gewerblichen Anlagen und gewissen Gewerben wurde jedoch eine polizeiliche Genehmigung bezw.
Konzessionirung vorbehalten. Die vorhandenen (älteren) Innungen blieben bestehen und die Bildung
neuer wurde gestattet, beide Arten von Innungen sollten aber nur die Stellung freier Gemeinschaften
haben. Während die allg. Gew.O. v. 17/1. 1845 durchaus auf dem Grundsatz der Gewerbefreiheit beruhte,
schränkte die V. v. 9/2. 1849 die Errichtung von Gewerberäthen (Gewerbekammern) und verschiedene Ab-
änderungen der allg. Gewerbeordnung betr. (G. S. S. 93) die Gewerbefreiheit erheblich ein, indem sie bei
fast allen Gewerben den Beginn des selbstständigen Gewerbebetriebes von dem Beitritte zu einer Innung
nach vorgängigem Nachweise der Befähigung oder doch von einer Prüfung abhängig machte, die Abgrenzung
der Beschäftigungsgebiete der Handwerke bestimmte, und Gesellen= und Meisterprüfungen vorschrieb. Das
G. v. 22/6. 1861 (G.S. S. 664) erweiterte jedoch die Gewerbefreiheit wieder, indem es das Kon-
zessionssystem einschränkte, während das G. v. 1/7. 1861 (G. S. S. 749) Bestimmungen über die Er-
richtung konzessionspflichtiger Anlagen und das dabei zu beobachtende Verfahren betraf.
Was die im I. 1866 erworbenen Landestheile betrifft, so haben die VV. v. 29/3. 1867, 9/8.
1867 und 239. 1867 (G. S. S. 423, 425, 1441, 1641) in Kurhessen und Hannover, im Amtsbezirk
Homburg und in Schleswig-Holstein das den Zünften und Innungen noch zustehende Recht, Andere vom
Betriebe eines Werkes auszuschließen, oder in diesem Betriebe zu beschränken, aufgehoben. Außerdem
wurden durch diese Verordnungen noch verschiedene andere in diesen Gebieten bestehende Beschränkungen
24/6. 1867 (G. S. S. 884), V. v. 3/2. 1868 (G. S. S. 69), V. v. 30/9. 1870 und G. v. 23/3. 1870
(G. S. S. 107).
1) Die Verwaltung der für Rechnung des Staates betriebenen Bergwerke, Hütten und Salinen
ist besonderen Behörden: Bergwerksdirektion zu Saarbrücken, Berginspektionen, Hüttenämtern, Salz-
ämtern übertragen. Das Verhältniß derselben zu den Oberbergämtern und die Zuständigkeit derselben
ist durch das Reglement v. 22/10. 1868 nebst Nachtrag v. 12/3. 1885 und 21/2. 1887, bezw. für Saar-
brücken durch das Reglement v. 24/5. 1867 geregelt.
2) Rönne, das Staatsrecht der preuß. Monarchie, 4. Aufl., IV, S. 416 ff. — H. Schulze,
das preuß. Staatsrecht, 2. Aufl., II, S. 433 ff. — Bornhak, Preuß. Staatsrecht, III, S. 336 ff.
— Grotefend, Preuß. Verw.-Recht, II, S. 729 ff. — Hue de Grais, Handbuch der Verfassung
und Verwaltung, 8. Aufl., S. 436 ff. — Kayser, Gewerbeordnung, 2. Aufl., 1888. — Marcinowski,
Gewerbeordnung, 4. Aufl. — Seydel, das Gewerbepolizeirecht in Hirth's Annalen 1888, S. 569 ff.
Zeller, Art. Gewerbepolizei in Stengel's Wörterbuch des Verw.-Rechts, 1., S. 58 ff.