Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

510 Sechstes Buch: Die Landesverwaltung. III. Kapitel. § 122. 
D. Die Innungen# sind Korporationen von selbstständigen Gewerbetreibenden zur 
Förderung gemeinsamer gewerblicher Interessen (§ 97 G.Gew.O.). Die Gründung der Inn- 
ung erfolgt durch Genehmigung des Innungsstatutes, das diejenigen, die die Innung gründen 
wollen, zu entwerfen haben und die höhere Verwaltungsbehörde zu genehmigen hat. Die Ge- 
nehmigung des Innungsstatutes, das über gewisse im Gesetz aufgeführte Verhältnisse Be- 
stimmungen treffen muß und keine Vorschriften enthalten darf, welche mit den Aufgaben der 
Innungen nicht in Verbindung stehen oder den Gesetzen zuwiderlaufen, muß versagt werden, 
wenn das Statut den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht oder durch die vorgesehenen 
Einrichtungen die Mittel zur Erfüllung der obligatorischen Aufgaben der Innung nicht sicher- 
gestellt erscheinen. Macht es sich die Innung zur Aufgabe, einen gemeinschaftlichen Ge- 
schäftsbetrieb zur gewerblichen Förderung ihrer Mitglieder oder eine Unterstützungs= oder 
Krankenkasse oder ein Schiedsgericht für Streitigkeiten aus dem Gesellenverhältnisse einzu- 
richten, so sind die Bestimmungen hierüber in ein Nebenstatut aufzunehmen, dessen Ge- 
nehmigung von der Behörde nach freiem Ermessen versagt werden kann (R. Gew. O. 8§ 98b 
und 98g. 
Ueber die Genehmigung der Innungsstatuten und deren Abänderung beschließt der Be- 
zirksausschuß, in Berlin der Polizeipräsident. Gegen den die Genehmigung versagenden 
Beschluß findet innerhalb zwei Wochen der Antrag auf mündliche Verhandlung im Verwalt- 
ungsstreitverfahrrn, bezw. die Klage beim Bezirksausschusse statt; das Endurtheil kann nur 
durch Revision beim Oberverwaltungsgericht angefochten werden (Z.G. 8124). Mitglieder der 
Innung können nur Personensein, die innerhalb des Innungsbezirkes eines der Gewerbe, für 
welche die Innung errichtet ist, selbstständig betreiben oder in einem dem Gewerbe angehör- 
enden Großbetriebe als Werkmeister oder in ähnlicher Stellung beschäftigt sind. Vom Ein- 
tritte ausgeschlossen sind diejenigen, welche sich nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte 
befinden oder welche in der Verfügung über ihr Vermögen gerichtlich beschränkt sind. Durch 
das Innungsstatut kann die Aufnahme abhängig gemacht werden: a) vom Nachweise einer 
Prüfung, welche die Befähigung zur Ausführung der gewöhnlichen Arbeiten des Gewerbes 
darthut; b) von der Zurücklegung einer Lehrlings= und Gesellenzeit. Niemandem, der den 
gesetzlichen, bezw. statutarischen Erfordernissen genügt, darf die Aufnahme in die Innung 
versagt werden. Die Mitgliedschaft hört auf mit dem Austritte, der jederzeit gestattet ist, so- 
fern nicht das Statut eine Anzeige höchstens sechs Monate vorher vorschreibt, und mit dem 
Tode des Mitgliedes; es geht jedoch die Mitgliedschaft — abgesehen von den Stimm= und 
Ehrenrechten — auf die Wittwen über, wenn sie den Gewerbebetrieb des Verstorbenen fort- 
setzen. Gesellen können nicht Innungsmitglieder sein; doch stehen ihnen gewisse Rechte theils 
gesetzlich zu, theils können sie ihnen durch das Statut eingeräumt werden (R.Gew.O. 8 100). 
  
1) Zeller, Art. Innungen in Stengel's Wörterbuch des Verw.-Rechts, I, S. 674 ff. Die 
R.Gew.O. v. 21/6. 1869 hob die zur Zeit ihrer Erlassung gesetzlich bestehenden Korporationen von 
Gewerbetreibenden zwar nicht auf, entzog ihnen aber alle auf das Gewerbewesen bezüglichen Befugnisse 
und Vorrechte, bildete ihre Verfassung um und stellte sie unter die Aufsicht der Gemeindebehörden 
(58 81—96), gleichzeitig enthielt sie in den §§ 97—104 die Grundzüge für die Bildung neuer Inn- 
ungen, die jedoch nur die Stellung von privatrechtlichen Korporationen haben sollten. Die betreffenden 
Bestimmungen erfuhren jedoch durch die Nov. v. 18/7. 1881 und die späteren Novellen durchgreifende 
Umgestaltung; insbesondere schrieb Art. 3 d. Nov. v. 18/7. 1881 in Bezug auf die zur Zeit des Er- 
lasses der Novelle bestehenden Innungen vor, daß sie bis zum Ablaufe des Jahres 1885 nach Maßgabe 
der Novelle umzubilden seien, widrigenfalls sie von der Centralbehörde des betreffenden Bundesstaates 
aufgehoben werden konnten. Die auf Grund der Vorschriften der Novelle v. 18/7. 1881 und der 
späteren Novellen gebildeten sog. „neuen“ Innungen haben die Eigenschaft öffentlicher Korporationen, 
da sie vom Staate als öffentlich anerkannte Aufgaben theils freiwillig, theils auf Grund gesetzlichen 
Zwanges verfolgen. Sie genießen daher verschiedene öffentlich-rechtliche Befugnisse entweder auf Grund 
geiicher Vorschrift oder in Folge behördlicher Verleihung, wie sie andererseits unter staatlicher Auf- 
icht stehen.
	        
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