Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

526 Sechstes Buch: Die Landesverwaltung. IV. Kapitel. 8 126. 
die Grundlage sittlich-religiöser Bildung zu gewähren. Da es sich bei der Volksschule lediglich 
um ein Mindestmaß elementarer Kenntnisse und die Grundlagen der Erziehung überhaupt 
handelt, kann der Staat eine gesetzliche Verpflichtung zum Besuche der Volksschule auszu- 
sprechen. Der Schulzwang bildet daher die Grundlage des gesammten Rechtes der Volksschule. 
Während des Mittelalters erschien das Volksschulwesen als ein Zweig der dem Staate 
nicht untergeordneten kirchlichen Verwaltung. Als in Folge der Reformation die Kirche in 
den protestantischen Ländern ihre Selbstständigkeit verlor, und die kirchliche Verwaltung unter 
den maßgebenden Einfluß des Staates kam, ging das Schulwesen als ein Bestandtheil der 
kirchlichen Verwaltung auf den Staat über, behielt aber seinen Charakter als Zweig der kirch- 
lichen Verwaltung. Das Schulwesen wurde durch die kirchlichen Ordnungen (brandenburgische 
Visitations-O. v. 1573) geregelt; die Lehrer — auf dem Lande die Küster — waren durch- 
weg kirchliche Beamte und auch in den Städten, wo theilweise ein besonderes Lehrpersonal 
bestellt wurde, blieben Schulaufsicht und höhere Verwaltung in den Händen der kirchlichen 
Behörden. Ebenso erfolgte die Unterhaltung der Schulen aus kirchlichen Fonds, soweit die 
Unterhaltungsmittel nicht durch das Schulgeld und freiwillige Gaben beschafft wurden. Das 
Schulpatronat endlich bildete einen Bestandtheil des Kirchenpatronates. Dieser Rechtszustand 
wurde auch im westfälischen Frieden Art. V § 31 aufrecht erhalten, indem daselbst die Schule 
als Annexum der Kirche anerkannt und für sie der konfessionelle Besitzstand nach dem Normal- 
jahre bestimmt wurde. 
Erst unter Friedrich Wilhelm I. trat in Preußen eine Scheidung der Schulgesetzgebung 
von der kirchlichen Gesetzgebung insbesondere den Kirchenordnungen ein. So stellte das Ed. 
v. 9/10. 1717, welches zuerst den Grundsatz der allgemeinen Schulpflicht aussprach, die Grund- 
sätze des Volksschulwesens für das ganze Staatsgebiet und für alle Konfessionen fest. Ferner 
wurde die Schuldotation selbstständig fundirt und von der kirchlichen getrennt, in der Weise, 
daß die politische Gemeinde zu den Schullasten herangezogen wurde und im Uebrigen Leistungen 
des Staates, der Kirche, des Patrons, das Schulgeld u. s. w. zu Schulzwecken in Anspruch 
genommen wurden. Dagegen blieb die Verbindung mit der kirchlichen Verwaltung im Ver- 
waltungsorganismus bis zum Ministerium hinauf noch aufrecht erhalten. 
Als sich durch die Vereinigung großer katholischer Landestheile mit dem preußischen 
Staate das Verhältniß von Staat und Kirche änderte und der Kirche eine gewisse Selbststän- 
digkeit eingeräumt werden mußte, blieb doch die Schule Staatseinrichtung, während die Kirche 
dieses Charakters entkleidet wurde, wenn auch die konfessionelle Scheidung der Schulgesetz- 
gebung und Schulverwaltung noch beibehalten blieb. Es ergingen deshalb die Schulordnungen, 
welche den ganzen Unterrichtsplan bestimmten, für die Schulen der verschiedenen Konfessionen 
gesondert, aber selbstverständlich nach übereinstimmenden Grundsätzen. Zu erwähnen sind das 
Generallandschul-Reglement v. 2/8. 1763 für sämmtliche lutherische Schulen des Landes und 
das Schulreglement v. 3/11. 1765 für die katholische Schulen, und das Reglement v. 18/5. 
1801 für die niederen katholischen Schulen in den Städten und auf dem platten Lande von 
Schlesien und der Grafschaft Glatz. 
Bei Erlaß des allgemeinen Landrechtes wurden in Thl. II, Tit. 12 „von niederen und 
höheren Schulen“ die obersten Grundsätze des preußischen Schulrechtes, wie sie sich seit An- 
fang des 18. Jahrhunderts entwickelt hatten, festgestellt, aber insoferne nur mit subsidiärer 
Geltung, als die provinziellen Schulordnungen und Reglements fortdauernde Geltung behielten. 
Gelegentlich der Durchführung der großen Verwaltungsreform im Anfange dieses Jahr- 
hunderts wurde der Erlaß einer allgemeinen Schulordnung in Aussicht gestellt (§ 17 d. Instr. 
v. 23./10. 1817 f. die Konsistorien u. § 18 d. Instr. vom gleichen Tage f. die Regierungen). 
Der Durchführung dieses Planes stellten sich aber solche Schwierigkeiten entgegen, daß er 
wieder aufgegeben und der Versuch gemacht wurde, lediglich provinzielle Schulordnungen zu
	        
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