* 127. Die Grundsätze des geltenden Schulrechtes. 533
geschichtliche Entwickelung, daß das preußische Schulwesen stets ein konfessionelles gewesen ist
und Simultanschulen nur da zugelassen wurden, wo bei einer konfessionell gemischten Bevölker-
ung konfessionelle Schulen nicht möglich waren. Dieser Rechtszustand ist in den Kab. OO. v.
4/10. 1821 und 23/3. 1829 ausdrücklich anerkannt worden und ebenso in einzelnen partiku-
laren Schulordnungen, namentlich den schlesischen Schulreglements zum Ausdruck gelangt.
Von den neuen Provinzen kennt die Gesetzgebung von Hannover und Schleswig-Holstein nur
konfessionelle Schulen, die von Nassau nur Simultanschulen. In den anderen Landestheilen
bestehen besondere Vorschriften nicht.
IV. Schulaufsicht und Schulverwaltungsbehörden. Wie bereits im A.-L. R.
II, 12, 5§ 4, 9 ausgesprochen ist, steht die Aufsicht über das Schulwesen nur dem Staate zu.
Diesen Grundsatz hat das G. v. 11/3. 1872, betreffend die Beaufsichtigung des Unterrichts-
und Erziehungswesens (G. S. S. 183), durch G. v. 25/2. 1878 (G. S. S. 97) eingeführt in
Lauenburg, wiederholt und demgemäß bestimmt, daß alle mit dieser Aufsicht betrauten Be-
hörden und Beamten im Auftrage des Staates handeln, die Ernennung der Lokal= und Kreis-
schulinspektoren und die Abgrenzung ihrer Bezirke allein dem Staate gebührt und der vom
Staate den Inspektoren der Volksschule ertheilte Auftrag, sofern sie dies Amt als Neben= oder
Ehrenamt verwalten, jeder Zeit widerruflich ist.
Da der Art. 24 V. U., der die Leitung des religiösen Unterrichtes in den Volksschulen
den betreffenden Religionsgesellschaften einräumt, noch nicht in Wirksamkeit getreten ist, so hat
der die Beziehungen der Kirche zur Schule regelnde Erlaß v. 18/2. 1876 (M. Bl. d. i. V.
S8) den Standpunkt gewahrt, daß die Schulaufsicht lediglich ein Recht des Staates ist, der
sich nur bei Beaufsichtigung des Religionsunterrichtes der Mitwirkung der Kirche bedient.
Deshalb ist den Organen der Religionsgesellschaften das Recht eingeräumt, den Religions-
lehrern Rathschläge und Belehrungen zu ertheilen und den staatlichen Aufsichtsbehörden Wünsche
und Beschwerden in Bezug auf den Religionsunterricht vorzutragen #).
In jedem Regierungsbezirke verwaltet die Regierung das Volksschulwesen, höhere In-
stanz bildet das Provinzialschulkollegium in Unterordnung unter dem Ministerium der geist-
lichen u. s. w. Angelegenheiten. In Berlin tritt an die Stelle der Regierung das Provinzial-
schulkollegium.
Als Aufsichtsorgane der Regierungen bestehen auf Grund des G. v. 11/3. 1872 die
Kreisschulinspektoren für mehrere Schulgemeinden und die Lokalschulinspektoren für einzelne
Gemeinden. In der Regel ist die Kreisschulinspektion den evangelischen Superintendenten und
den katholischen Erzpriestern (Dekane u. s. w.), die Lokalschulinspektion den Ortsgeistlichen
in widerruflicher Weise übertragen.
Ortsschulbehörden sind in den Städten die Schuldeputationen, welche nach der Instr.
v. 26/6. 1811 je nach der Größe der Stadt aus je 1—3 Mitgliedern des Magistrates und der
Stadtverordnetenversammlung, einer gleichen Anzahl des Schul= und Erziehungswesens kun-
diger Männer (bei Städten mit mehr als 3500 Einwohnern) und besonderen Vertretern der
Schulen nichtstädtischen Patronats bestehen sollen. Die Kreisschulinspektoren haben bei größeren
Städten in den Deputationen ohne Mitglieder derselben zu sein, Sitz und Stimme. Bei der
Zusammensetzung der Deputationen soll die Konfession der städtischen Schulen berücksichtigt
werden, die Mitglieder werden auf sechs Jahre gewählt, können aber nach drei Jahren ihr Amt
niederlegen. Der Geschäftskreis der genannten Aufsichtsbehörden umfaßt alle äußeren und
inneren Angelegenheiten des städtischen Volksschulwesens einschließlich der Privatschulen und
eine Mitwirkung bei Ausübung des Lehrerberufungsrechtes für Schulen städtischen Patronats.
Die ländliche Ortsschulbehörde ist der Schulvorstand (s. oben sub II). Er soll „für die ge-
1) Vgl. Hinschius, Art. Religionsunterricht in Stengel's Wörterbuch des Verw.-Rechts,
II, S. 381 ff.