Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

546 Sechstes Buch: Die Landesverwaltung. IV. Kapitel. 8 134. 
Innern (seit 1817 den Minister für geistliche Angelegenheiten), die Befugnisse der letzteren auf 
die Regierungen (Abtheilung für Kultus und öffentlichen Unterricht) über. Die Kirchenhoheit 
des Staates (jus circa sacra) und die Kirchengewalt (jura in sacra) waren auf diese Weise den- 
selben staatlichen Behörden zur Ausübung übertragen, wenigstens soweit es sich um die seit 
1817 zur evangelischen Landeskirche vereinigten protestantischen Kirchen handelte. 
Der geschlossenen Organisation der katholischen Kirche gegenüber war das System aber 
nicht durchführbar, und auch der evangelischen Kirche gegenüber wurde dasselbe allmählich 
wieder verlassen. Nachdem nämlich durch die V. v. 30/4. 1815 § 15 in jeder Provinz ein 
Konsistorium unter dem Vorsitze des Oberpräsidenten errichtet worden war, dessen Wirkungs- 
kreis die allgemeine Leitung des evangelischen Kirchenwesens in rein geistlicher und wissen- 
schaftlicher Hinsicht und die Besorgung der Schulangelegenheiten umfaßte, wurde diese Behörde 
durch Kab.O. v. 31/12. 1825 in zwei Abtheilungen zerlegt: a) das „Konsistorium“ für die 
evangelisch-kirchlichen Sachen; b) das Provinzialschulkollegium für das Unterrichtswesen; beide 
noch unter dem gemeinschaftlichen Vorsitze des Oberpräsidenten. Durch die V. v. 27/6. 1845 
(G. S. S. 443), betreffend die Ressortverhältnisse der Provinzialbehörden für das evangelische 
Kirchenwesen wurde aber der Oberpräsident vom Vorsitze im Konsistorium entbunden und den 
Konsistorien, die nun evangelische Kirchenbehörden wurden, wurde die Gesammtheit der kirch- 
lichen Verwaltung übertragen bis auf verhältnißmäßig wenige den Regierungen verbleibende 
Angelegenheiten. In anderer Beziehung wurde der Anfang mit der Anerkennung einer größeren 
Selbstständigkeit der evangelischen Kirche durch Erlaß der Kirchen-O. für Rheinland und West- 
falen v. 3/3. 1835 gemacht, durch welche eine mit synodalen Elementen durchsetzte Kirchen- 
verfassung in diesen Provinzen zur Durchführung gelangte. 
Der katholischen Kirche gegenüber erkannte der preußische Staat die Selbstständigkeit 
des kirchlichen Lebens dadurch an, daß er sich mit der Kurie über die Neuregelung der kirch- 
lichen Organisation in Verhandlungen einließ, die zum Erlasse der Cirkumskriptionsbulle vom 
167. 1821 De salute animarum führten, der der König die staatliche Bewilligung und 
Sanktion ertheilte, indem er sie durch Allerh. Kab.O. v. 23/8. 1821 für ein bindendes Statut 
der katholischen Kirche für Preußen erklärte. Daneben blieben freilich die Vorschriften des 
Allgemeinen Landrechtes auch für die katholische Kirche in Kraft. Der unmittelbare freie 
Verkehr der Bischöfe mit dem Papste wurde jedoch durch Cirkularreskript v. 1 1. 1841 (M. Bl. 
d. i. V. S. 16), welches das sogen. königliche Placet aufhob, gestattet (vgl. auch Cirkularreskript 
v. 31½8. 1818, Kamptz, Annalen 2. Bd. S. 717). 
II. Bei Erlaß der Verfassungsurkunde wurde beabsichtigt, das Verhältniß von Staat 
und Kirche unter Gewährung voller Freiheit und Autonomie für letztere nach dem Vorbilde 
der R.V. v. 1849 §§ 144 ff. grundsätzlich zu regeln. Dem entsprechend bestimmte Art. 15: 
„Die evangelische und die römisch-katholische Kirche, sowie jede andere Religionsgesellschaft 
ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig und bleibt im Besitz und Genuß der 
für ihre Kultus-, Unterrichts= und Wohlthätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und 
Fonds“. Art. 16: „Der Verkehr der Religionsgesellschaften mit ihren Oberen ist ungehindert. 
Die Bekanntmachung kirchlicher Anordnungen ist nur denjenigen Beschränkungen unterworfen, 
welchen alle übrigen Veröffentlichungen unterliegen.“ Art. 18: „Das Ernennungs-, Vorschlags-, 
Wahl= und Bestätigungsrecht bei Besetzung kirchlicher Stellen, soweit es dem Staate zusteht, 
und nicht auf dem Patronat oder besonderen Rechtstiteln beruht, ist aufgehoben“. 
Der in Art. 15 V.U. zum Ausdrucke gelangte Grundsatz der Selbstständigkeit und Auto- 
nomie der Kirche hatte vor Allem Bedeutung gegenüber der evangelischen Kirche, für welche 
nun der Boden für eine weitere Entwickelung geschaffen war. Zunächst wurde durch A.E. v. 
29/6. 1850 (G.S. S. 343) der evangelische Oberkirchenrath errichtet, dem die Erledigung 
der von den Provinzialkonsistorien bearbeiteten Angelegenheiten in der oberen Instanz über- 
tragen wurde. Allerdings blieb noch dem Kultusministerium nicht bloß die Gesammtheit der
	        
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