Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

ß 138. Die katholische Kirche. 565 
so ist sie zur Ausübung derselben von der staatlichen Aufsichtsbehörde aufzufordern. Leistet sie 
dieser Aufforderung binnen 30 Tagen keine Folge, so geht die Ausübung der Befugnisse auf 
die staatliche Aufsichtsbehörde über. — Gegen Verfügungen der vorgesetzten Kirchenbehörde, 
durch welche die Einwilligung zu bestimmten Handlungen der Verwaltung versagt wird, steht 
dem Kirchenvorstande die Berufung an den Oberpräsidenten zu, der endgültig entscheidet. — 
In gewissen Fällen bedürfen die Beschlüsse des Kirchenvorstandes und der Gemeindevertretung 
zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung der staatlichen Aufsichtsbehörde, die auch das Recht hat, 
Einsicht in den Etat zu nehmen und die Posten, welche den Gesetzen widersprechen, zu bean- 
standen. Ebenso hat die staatliche Aufsichtsbehörde, wie die bischöfliche Aufsichtsbehörde unter 
gegenseitigem Einvernehmen das Recht der Zwangsetatisirung (§§ 50—53). 
Die Behörden, welche die Aufsichtsrechte des Staates bei der Vermögensverwaltung nach 
Maßgabe der §§ 48, 50—52, 53 u. 54 wahrzunehmen haben, hat die V. v. 27/9. 1875 
(G. S. S. 571), bezw. 30/1. 1893 (G. S. S. 13) bestimmt — Minister der geistlichen An- 
gelegenheiten, Oberpräsident, Regierungspräsident. 
2. Das G. v. 7/6. 1876 hat die Ausübung der Aufsichtsrechte des Staates über die 
Verwaltung der für die katholischen Bischöfe, Bisthümer und Kapitel bestimmten Vermögens- 
stücke, sowie der zu kirchlichen, wohlthätigen und Schulzwecken bestimmten und unter die Ver- 
waltung oder Aufsicht katholisch-kirchlicher Organe gestellten Anstalten, Stiftungen und Fonds, 
welche nicht vom G. v. 20/6. 1875 betroffen werden, geregelt, dagegen die Bestimmungen über 
die mit der Verwaltung betrauten Organe und über die Verwaltung selbst unberührt gelassen. 
Als Behörden, die diese Aufsichtsrechte auszuüben haben, sind nach der V. v. 299. 1876 
(G. S. S. 401), bezw. 20/1. 1893 (G. S. S. 11) der Minister der geistlichen Angelegenheiten 
— in gewissen Fällen gemeinschaftlich mit dem Finanzminister, bezw. dem Minister des Innern, 
die Oberrechnungskammer und der Oberpräsident bestellt. 
III. Die staatsrechtliche, wie privatrechtliche Stellung der geistlichen Orden, war in 
ziemlich eingehender Weise im A.L. R. Thl. II Tit. 11 §8§ 939 ff. in der Weise geregelt, daß 
der Staat die Orden grundsätzlich zuließ, aber bestimmte, wie ihre Verfassung beschaffen sein 
müsse um staatlich anerkannt zu sein, und welche Rechte sie im Staate beanspruchen können. 
Nachdem aber durch das sogenannte Jesuiten-G. v. 4/7.1872 (R.G. Bl. S. 253) der Orden 
der Gesellschaft Jesu nebst den ihm verwandten Orden und ordensähnlichen Kongregationen 
vom Gebiete des deutschen Reiches ausgeschlossen, die Neuerrichtung von Niederlassungen ver- 
boten und die Auflösung der bestehenden angeordnet worden war, erging in Preußen das G. 
v. 31/5.1875 (G. S. S. 217) eingeführt in Lauenburg durch G. v. 25/2.1878 (G. S. S. 100), 
welches alle Orden und ordensähnlichen Kongregationen der katholischen Kirche vom Gebiete 
der preußischen Monarchie ausschloß und die Errichtung von Niederlassungen derselben 
untersagte. Ausgenommen waren nur die bestehenden Niederlassungen der Orden u. s. w., 
welche sich der Krankenpflege widmen; die fortbestehenden Niederlassungen wurden der Aufsicht 
des Staates unterworfen. Das Vermögen der aufgelösten Niederlassungen wurde nicht vom 
Staate eingezogen, sondern in einstweilige Verwahrung und Verwaltung genommen. Die 
Nov. v. 14/7.1880 (G. S. S. 285) Art. 6 ermächtigte sodann weiter die Minister des Innern 
und der geistlichen Angelegenheiten, die Errichtung neuer Niederlassungen von Genossenschaften, 
welche im Gebiete der preußischen Monarchie zur Zeit des Erlasses des Gesetzes bestanden und 
sich ausschließlich der Krankenpflege widmen (wozu das Gesetz auch die Pflege und Unter- 
weisung von Blinden, Tauben, Stummen und Idioten, sowie von gefallenen Frauenspersonen 
rechnete), zu genehmigen, auch widerruflich zu gestatten, daß bestehende weibliche Genossen- 
schaften, welche sich ausschließlich der Krankenpflege widmen, die Pflege und Unterweisung von 
Kindern, die sich noch nicht im schulpflichtigen Alter befinden, als Nebenthätigkeit übernehmen. 
Der Art. 13 Nov. v. 21/5. 1886 (G. S. 147) dehnte hierauf die Bestimmungen des Art. 6 
G. v. 14/7. 1880 aus auf die Uebernahme der Pflege und Leitung in Waisenanstalten, Armen-
	        
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