§ 141. Die Staatsverträge. 569
lande zu bestellen; die Reichskonsuln vertreten auch die Interessen der Einzelstaaten im Aus-
lande. Dagegen ist den Einzelstaaten das Recht geblieben, fremde Konsuln bei sich zu empfangen
und ihnen die Exequatur zu ertheilen, das aber selbstverständlich nur für das Gebiet des be-
treffenden Staates wirkt. Ebenso können die Einzelstaaten untereinander Konsuln entsenden
und beglaubigen.
II. An der Spitze der auswärtigen Verwaltung in Preußen steht das Ministerium
der auswärtigen Angelegenheiten, das seit dem 1/1. 1870 in der Weise sich in Personalunion
mit dem „Auswärtigen Amte des deutschen Reiches“ befindet, daß dieses als „Königlich preußi-
sches Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten“ diejenigen Verwaltungsgeschäfte besorgt,
die aus den Beziehungen Preußens zu den übrigen deutschen Staaten hervorgehen, ohne ver-
möge der Reichsverfassung einem der Organe des Reiches zu obliegen. Außerdem hat es auch
noch diejenigen Angelegenheiten zu besorgen, welche sich aus den Beziehungen Preußens zur
Kurie ergeben (vgl. § 33 l). Die Beziehungen Preußens zu auswärtigen Staaten dagegen
werden vom Auswärtigen Amte des Reiches als Reichsbehörde besorgt. Dem königl. preuß.
Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten sind untergeordnet die preußischen Gesandtschaften
bei anderen deutschen Staaten (in München, Dresden, Hamburg, Karlsruhe, Stuttgart,
Darmstadt, Oldenburg und Weimar) und bei der Kurie, sowie die preußischen Landeskonsulate
(für Hamburg, Lübeck, Mecklenburg, Bremen und Oldenburg).
Für die dienstliche Stellung des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten und der
preußischen Behörden in Bezug auf die auswärtige Verwaltung ist noch die V. v. 27/10.1810
maßgebend. Darnach sind die Ausfertigungen der an die königlichen Gesandtschaften ergehenden
Erlasse vom Könige selbst zu vollziehen, wenn es darauf ankommt, denselben Abweichungen
von den ihnen früher gegebenen Vorschriften über politische Verhältnisse oder die Besorgung
wichtiger Geschäfte aufzugeben. In dringenden und eilenden Fällen kann zwar der Minister
dergleichen Verfügungen allein erlassen, muß jedoch dem Könige sofort Anzeige erstatten. In
anderen Fällen erläßt der Minister selbstständig die Verfügungen an die Vorstände der be-
treffenden Gesandtschaften.
§ 141. Die Staatsverträge 1). I. Wie bereits im vorigen Paragraphen bemerkt ist,
ist die Zuständigkeit des Reiches in Bezug auf die Staatsverträge theils eine ausschließliche,
theils eine mit den Einzelstaaten konkurrirende. Ausschließend ist die Zuständigkeit des Reiches
zunächst hinsichtlich der Friedensverträge und der Bündnißverträge wegen der dem
Reiche zustehenden ausschließlichen Verfügung über die bewaffnete Macht. Ebenso wird man
sagen müssen, daß bei der vertragsmäßigen Regelung allgemeiner Fragen des VBölker-
rechtes und der auswärtigen Politik auf Kongressen und Konferenzen nur das Reich
mitzuwirken befugt ist; eine Betheiligung der Einzelstaaten neben dem Reiche würde mit dem
Geiste und Inhalt der Reichsverfassung und der Stellung der Einzelstaaten im Reiche im
Widerspruche stehen, und ist auch deshalb nicht angängig, weil den Einzelstaaten die unbe-
schränkte Verfügung über die völkerrechtlichen Zwangsmittel (Retorsion, Repressalien, Krieg
u. s. w.) fehlt. Ausschließend ist ferner die Zuständigkeit des Reiches hinsichtlich der Handels-
und Zollverträge, da nach Art. 33 u. 35 Deutschland ein einheitliches Zoll= und Handels-
gebiet bildet und die Zollgesetzgebung in die ausschließliche Reichszuständigkeit fällt. Das
Gleiche gilt von den Schiffahrtsverträgen, da nach Art. 54 R.V. die Kauffahrteischiffe
aller Bundesstaaten eine einheitliche Handelsmarine bilden und nur das Reich auf fremde
Schiffe und deren Ladungen höhere Abgaben legen kann, als von den Schiffen der Einzel-
staaten zu entrichten sind. Ebenso gehören hierher die Konsularverträge, insoweit nach Art. 56
1) Vgl. Proebst, der Abschluß völkerrechtlicher Verträge durch das deutsche Reich und dessen
Einzelstaaten in Hirth's Annalen 1882, S. 241 ff. — Seligmann, Abschluß und Wirksamkeit der
Staatsverträge, 1890.