8 142. Die geschichtliche Entwickelung. 573
Neben dem stehenden Heere bestand noch in den unter Friedrich Wilhelm I. errichteten
und unter Friedrich II. vermehrten Landregimentern eine Miliz. Die Landregimenter wurden
von den Ständen unterhalten und hauptsächlich zur Verstärkung der Besatzungen der in der
Provinz belegenen Festungen verwendet. Die Offiziersstellen mußten diejenigen Edelleute
der Provinz übernehmen, die im stehenden Heere gedient hatten.
II. Bei der Reorganisation des preußischen Staates im Anfange dieses Jahrhunderts
mußte natürlich auch die Reform des Heerwesens eine Rolle spielen. Dieselbe erfolgte in der
Zeit von 1807—1815 in der Weise, daß zunächst die Werbung wegfiel, da durch den Tilsiter
Frieden v. 9/7. 1807 und den Vertrag mit Frankreich v. 8/9. 1808 das Maximum des
preußischen Heeres auf 42000 Mann festgesetzt und die Bildung einer Nationalmiliz oder
Landwehr untersagt war. Damit verlor das Heer den Charakter eines Söldnerheeres; es wurden
deshalb auch die alten Kriegsartikel abgeschafft, an deren Stelle die Kriegsartikel v. 3/8. 1808
für Unteroffiziere und gemeine Soldaten und die Verordnung vom gleichen Tage wegen der
Militärstrafen ergingen. Die neuen Bestimmungen gingen von der Anschauung aus, daß bei
der künftigen Zusammensetzung des Heeres aus Inländern die Soldaten einer anderen mili-
tärischen Disciplin zu unterwerfen seien als dies früher der Fall war. Nachdem sodann am
3/8. 1808 bereits eine Verordnung wegen Bestrafung der Offiziere ergangen war, wurde am
6/8.1808 das Reglement über die Besetzung der Stellen der Portepeefähnriche und die Offiziers-
wahlen erlassen, wornach Anspruch auf die Offizierstellen im Frieden nur Kenntnisse und Bild-
ung, im Kriege ausgezeichnete Tapferkeit und Ueberblick gewähren sollten.
Die gesetzlichen Vorschriften über die Rekrutirung im Inlande mit ihren zahllosen
Exemtionen blieben zunächst erhalten, erst durch eine V. v. 9/2. 1813 wurden die bisherigen
Exemtionen von der Kantonspflicht, aber nur für die Dauer des Krieges aufgehoben, wie auch
die Bildung der Landwehr durch V. v. 17/3. 1813 nur für die Zeit des Krieges erfolgte. Eine
dauernde Grundlage für das preußische Heerwesen schuf erst das G. v. 3/9.1814, nach welchem
die bewaffnete Macht Preußens in das stehende Heer, die Landwehr ersten und zweiten Auf-
gebots und den Landsturm zerfiel. Nachdem sodann die Landwehr durch die Landwehr-O. v.
21/11. 1815 (G.S. 1816 S. 77) organisirt war, stellte die Kab. O. v. 19/12. 1819 (G.S.
1820 S. 5) die Zahl der Brigaden, Regimenter, Bataillone und deren Kriegsstärke ein= für alle-
mal fest und brachte die Kadres der Linie und der Landwehr in volle Uebereinstimmung. Auf
Grund dieser Kabinetsordre wurde das ganze Land in Bataillons= und Kompagniebezirke ein-
getheilt.
Nach dem G. v. 3/9.1814 dauerte die Dienstpflicht im stehenden Heere vom 20.—25.
Lebensjahre. Junge Leute, welche sich selbst kleideten und bewaffneten, konnten in ein Jäger-
oder Schützenkorps freiwillig eintreten, wurden sodann nach einem Jahre beurlaubt und gingen
nach drei Jahren zur Landwehr über, wo sie nach Maßgabe ihrer Fähigkeiten die ersten An-
sprüche auf Offizierstellen haben sollten. Aus dieser Bestimmung entwickelte sich dann die Ein-
richtung der Einjährig-Freiwilligen.
Die Landwehr ersten Aufgebots bestand aus denjenigen jungen Männern von 20—25
Jahren, die nicht im stehenden Heere dienten, den entlassenen Einjährig-Freiwilligen und aus
den Leuten von 25—32 Jahren. Ihr Zweck war die Unterstützung des stehenden Heeres im
Kriege; die Landwehr zweiten Aufgebots aus Leuten bis zum 39. Lebensjahre bestehend, war
für den Garnisonsdienst im Kriegsfalle bestimmt; der Landsturm endlich, zu dem die nicht im
stehenden Heere oder in der Landwehr dienenden Leute vom 17. bis zum 50. Lebensjahre ge-
hörten, sollte auf königlichen Befehl nur dann zusammentreten, wenn ein feindlicher Angriff
auf den Staat erfolgte.
Was die Militärkommandobehörden anlangt, so zerfiel die preußische Armee seit 1820
in acht Armeekorps, deren Bezirke sich zum größten Theile mit den Provinzen deckten, dann
Divisionen und Brigaden. Die Landwehr war seit 1820 in 16 Brigaden zu je zwei Regi-