576 Achtes Buch: Das Heerwesen. 8 143.
Kaiser auf Grund gesetzlicher Delegation die Militärhoheit ausübt, und die Kontingente
derjenigen Bundesstaaten, welche durch die Militärkonventionen mit den preußischen Truppen
vereinigt sind; 2. die bayerische Militärverwaltung; 3. die sächsische Militärverwaltung; 4. die
württembergische Militärverwaltung.
II. Durch Art. 4 Ziff. 14 R. V. ist dem Reiche ausschließlich und uneingeschränkt die Ge—
setzgebung über das Militärwesen und die Kriegsmarine übertragen. Gleichzeitig
wurde in Art. 61 R.V. bestimmt, daß im gesammten Reichsgebiete die preußische Militärge-
setzgebung, mit Ausnahme der Militärkirchenordnung, ungesäumt einzuführen sei ), bis die be-
treffenden Verhältnisse durch Reichsgesetze geregelt sein werden. Dies ist nun in der That in
den meisten Punkten durch eine ganze Reihe von seit Einführung der Reichsverfassung er-
lassenen Gesetzen geschehen. Insoweit dies noch nicht der Fall ist, gelten die betreffenden
preußischen Militärgesetze, wie z. B. die Militärstrafprozeßordnung von 1845 als Reichsgesetze
und sind daher der Einwirkung der Landesgesetzgebung entzogen. Eine Ausnahme macht nur
die Militärkirchenordnung, welche nicht zum Reichsgesetze erklärt wurde.
Was das Militärverordnungsrecht anlangt, so ist der Umfang desselben in der
Reichsverfassung nicht ausdrücklich abgegrenzt; es kommen daher die Grundsätze zur Anwendung,
welche überhaupt für die Abgrenzung von Gesetz und Verordnung im Reiche maßgebend sind;
darnach wird man sagen müssen, daß im Allgemeinen nur sogenannte Verwaltungsvorschriften
und Ausführungsvorschriften in der Form der Verordnung zulässig sind.
Subjekt des Verordnungsrechtes ist, wenn der Gegenstand durch das Reichsgesetz ge-
regelt ist, nach Art. 7 Nr. 2 R.V. der Bundesrath, sofern nicht durch Reichsgesetz etwas
anderes bestimmt ist. In der That ist in den meisten auf das Heerwesen bezüglichen Reichs-
gesetzen der Erlaß der Ausführungsverordnungen dem Kaiser, bezw. für Bayern dem König
von Bayern übertragen. Im Uebrigen steht nach Art. 63 Abs. 5 R.V. den Landesherren das
Militärverordnungsrecht zu.
Armeeverordnungen des Königs von Preußen bedürfen der Gegenzeichnung des Kriegs-
ministers. Armeebefehle des Königs, bezw. des Kaisers sind jedoch der ministeriellen Gegen-
zeichnung nicht unterworfen (vgl. § 34).
III. Der Oberbefehl über alle deutschen 2) Truppen steht nach Art. 63 u. 64 R.V.
im Krieg und Frieden dem Kaiser zu, dessen Befehlen dieselben unbedingt Folge zu leisten
haben. Diese Verpflichtung ist in den Fahneneid aufzunehmen. Behufs Ausübung des Be-
fehles ist der Kaiser befugt, den Höchstkommandirenden eines jeden Kontingents, sowie alle
Offiziere, welche die Truppen mehr als eines Kontingents befehligen und alle Festungskomman-
danten zu ernennen. Die von ihm ernannten Offiziere leisten ihm den Fahneneid. Auch inner-
halb der einzelnen Kontingente darf die Ernennung der Generale und Offiziere, welche Generals-
stellungen versehen, nur mit jedesmaliger Zustimmung des Kaisers erfolgen.
Der Kaiser hat ferner das Recht der Inspektion, dann das Recht den Präsenzstand, die
Gliederung und Eintheilung der Kontingente des Reichsheeres zu bestimmen, soweit er nicht
hinsichtlich des Friedensstandes durch die Vorschriften des Militär-G. v. 2/5.1874 und die dazu
ergangenen Novellen beschränkt ist; ebenso steht ihm das Recht zu, die kriegsbereite Aufstellung
eines jeden Theiles des Reichsheeres anzuordnen und die Reserve, Landwehr und Seewehr,
sowie den Landsturm zu den Fahnen einzuberufen. Endlich hat der Kaiser noch das Dislokations=
recht, d. h. die Befugniß, die Garnisonen der einzelnen Truppenkörper innerhalb des ganzen
Bundesgebietes zu bestimmen.
1) Für Bayern war im Versailler Vertrag v. 23/11. 1870 unter III § 5 eine Ausnahme ge-
macht worden.
2) Bayern nimmt eine Sonderstellung ein nach Maßgabe des Versailler Vertrags v. 23/11.
1870; namentlich steht das bayerische Heer im Frieden nicht unter dem Oberbefehle des Kaisers.