578 Achtes Buch: Das Heerwesen. 8 144.
Reichshaushaltsetat festgestellten Sätze und der durch Gesetz oder Verordnung gegebenen
Normen erfolgt durch diejenigen Einzelstaaten, die eine eigene Militärverwaltung haben. Die
betreffenden Militärverwaltungen handeln aber Namens des Reichsfiskus (nicht des Landesfiskus),
sie machen die Ausgaben auf Rechnung des Reiches und unterliegen daher der Rechnungskon-
trolle des Rechnungshofes des Reiches. Ebenso muß der Reichskanzler alljährlich dem Bundes-
rath und Reichstag zur Entlastung bezüglich des Militäretats Rechnung stellen .
§ 144. Die Militärverwaltung 2. I. Bei jedem Heerwesen sind zwei Seiten zu unter-
scheiden: 1. Die militärisch-technische Seite. Bei derselben handelt es sich um die militär-
ische Ausbildung der Mannschaften und deren Verwendung im Frieden, wie im Kriege. Die
Spitze dieser militärisch-technischen Seite bildet der Oberbefehl des Kaisers, als Bundesfeld-
herr. Als Hilfsorgan des Oberbefehlshabers erscheint der preußische große Generalstab.
2. Die Militärverwaltung dieselbe hat es mit der Herstellung der Vorbedingungen und
Mittel für die militärische Aktion zu thun; sie umfaßt daher die Gesammtheit derjenigen Thätig-
keiten, welche bezwecken, das nöthige Material an Waffen, Pferden und Kriegsgeräthschaften
herbeizuschaffen, die Mannschaften zu bekleiden, auszurüsten und zu ernähren, für deren Heil-
ung im Falle der Erkrankung oder Verwundung zu sorgen, ihre geistlichen Bedürfnisse zu be-
friedigen u. s. w. An der Spitze der Militärverwaltung steht das Kriegsministerium.
Da die Militärverwaltung den Einzelstaaten, bezw. denjenigen, die noch selbstständige
Kontingente haben, verblieben ist, so sind die Militärverwaltungsbehörden Behörden der Einzel-
staaten, die Mitglieder dieser Behörden sind von den Regierungen der Einzelstaaten ernannte
Staatsbeamte, die jedoch zugleich mittelbare Reichsbeamten sind, da sie den Befehlen des
Kaisers Folge leisten müssen (§ 1 des Reichsbeamten-G. v. 31/3. 1873). Deshalb finden auch
auf diese Beamten die Bestimmungen des Reichsbeamtengesetzes Anwendung und sie erhalten
ihre Besoldung aus der Reichskasse.
Ein Reichskriegsministerium besteht nicht, als Reichskriegsminister fungirt der Reichs-
kanzler selbst, insoweit von einer ministeriellen Verantwortlichkeit für die Thätigkeit des
Kaisers in Bezug auf die Militärverwaltung die Rede sein kann. Im Uebrigen stehen an
der Spitze der Militärverwaltung die Kriegsminister von Preußen, Bayern, Sachsen und
Württemberg.
II. Was das preußische Kriegsministerium anlangt, das durch die Kab.O. v. 16/12.
1808 geschaffen wurde, so verwaltet es zugleich die Angelegenheiten der dem preußischen Heere
einverleibten Kontingente und ist es dasjenige Organ, durch welches der Kaiser mit der Ver-
waltung der übrigen Kontingente verkehrt. Der Kriegsminister, der Mitglied des Staats-
ministeriums ist, hat es nur mit der Verwaltung zu thun;z er ist dafür verantwortlich, daß die-
selbe gesetzmäßig geführt wird. Diese Verantwortlichkeit hört jedoch da auf, wo der Befehl
des obersten Kriegsherrn beginnt, deshalb bedürfen auch Armeebefehle keiner Gegenzeichnung.
Das preußische Kriegsministerium besteht gegenwärtig aus der Centralabtheilung, vier
Departements, die wieder in Abtheilungen zerfallen, und zwei selbstständigen Abtheilungen.
An der Spitze jeder Abtheilung steht ein Chef und an der Spitze jeder Abtheilung ein Direktor.
Als Rechtskonsulenten sind besondere Justitiarien angestellt.
1) Zu den wirthschaftlichen Lasten, welche die Reichsangehörigen nicht bloß, sondern alle Ein-
wohner des Reiches zu tragen haben, gehören auch die sog. Militärlasten i. e. S., nämlich die
Friedensleistungen, Kriegsleistungen und Rayonsbeschränkungen zu Gunsten von Festungen nach Maß-
gabe der einschlägigen Reichsgesetze. Hervorzuheben ist, daß das Z.G. in 88 50 u. 51 die Zuständig-
keit der Landesbehörden in Einquartierungsangelegenheiten geregelt hat.
2) Laband, das Staatsrecht des deutschen Reiches, 2. Aufl., II, S. 599 ff. — Bornhak,
Preuß. Staatsrecht, III, S. 48 ff. — Kirchenheim, Art. Intendantur, Kriegsministerium,
Militärgeistliche in Stengel's Wörterbuch des Verw.-Rechts, Bd. I, S. 678 ff., 876 ff., II, S. 110
u. 1021. — Hecker, Art. Militärgerichtsbarkeit, ebendaselbst, II, S. 112, 1023.