Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

§ 16. Regentschaft und Regierungsstellvertretung. 45 
auf seine Person genießt, wie der König selbst, das Verbrechen des Hochverraths daher an ihm 
nicht begangen werden kann. Dagegen muß aus allgemeinen Gründen angenommen werden, 
daß der Regent hinsichtlich der Ausübung der Staatsgewalt ebenso unverantwortlich ist, wie 
der König, da diese Unverantwortlichkeit einem Jeden zukommen muß, der die höchste Gewalt 
im Staate ausübt, also Niemanden über sich hat, überdies aber die Unverantwortlichkeit des 
Regenten durch die Verantwortlichkeit der Minister, ohne deren Gegenzeichnung er keine Re- 
gierungshandlungen vornehmen kann, gedeckt ist 1. 
4. Bezüglich der Vermögensrechte des Regenten enthält die Verfassungsurkunde 
keinerlei Vorschriften. Da die vermögensrechtlichen Ansprüche der Krone an die Staatskasse 
auch dem regierungsunfähigen Könige ihrem vollen Umfange verbleiben, wird daher im ein- 
zelnen Falle bestimmt werden müssen, in welchem Umfange der Regent an die Staatskasse 
Ansprüche zu machen hat. 
5. Die Fauiliengewalt des Königs bildet einen Bestandtheil der ihm als Staats- 
oberhaupt zukommenden Befugnisse; es versteht sich daher von selbst, daß der Regent auch diese 
Familiengewalt auszuüben hat. Durchaus verschieden von dieser Familiengewalt ist natürlich 
die Vormundschaft oder Kuratel über den minderjährigen oder sonst regierungsunfähigen König, 
die sich lediglich nach Maßgabe der Hausgesetze bezw. des bürgerlichen Rechts bestimmt, dem 
Regenten als solchen aber nicht zusteht. 
Anlangend die Berufung des Regenten, so bestimmt Art. 56 V. U., daß „derjenige 
volljährige Agnat, welcher der Krone am nächsten steht“, die Regentschaft übernimmt. Der 
hiernach als Regent berufene Agnat hat sofort die Kammern zu berufen, die in vereinigter 
Sitzung über die Nothwendigkeit der Regentschaft — nicht über die Person des Regenten — 
beschließen. Ist kein volljähriger Agnat vorhanden und nicht bereits vorher gesetzliche Fürsorge 
für diesen Fall getroffen, so hat nach Art. 57 das Staatsministerium die Kammern zu berufen, 
welche in vereinigter Sitzung einen Regenten zu erwählen haben, vorausgesetzt natürlich, daß 
sie die Nothwendigkeit der Regentschaft anerkannt haben. In der Person des Wählenden sind 
die Kammern nicht beschränkt. Aus dem Wortlaut des Art. 57 V. U. und aus der Natur der 
Sache ergiebt sich aber, daß die Regentschaft nur Einer Person übertragen werden kann. Bis 
zum Antritt der Regentschaft von Seiten des erwählten Regenten führt das Staatsministerium 
die Regierung. 
Die Beschlußfassung der Kammern über die Nothwendigkeit der Regentschaft hat die 
Bedeutung, daß dadurch die Nothwendigkeit der Regentschaft anerkannt wird oder diese Noth- 
wendigkeit verneint wird. Das Letztere kann nicht geschehen, wenn die Regentschaft wegen 
Minderjährigkeit eintreten muß, da die Vorschrift der Verfassungsurkunde bezüglich der Groß- 
jährigkeit des Königs die Kammern bindet. Im Uebrigen hat die Verneinung der Nothwen- 
digkeit der Regentschaft zur Folge, daß die bereits provisorisch durch den nächsten Agnaten 
bezw. das Staasministerium eingeleitete Regentschaft ihr Ende erreicht. 
Der Regent hat „nach Einrichtung der Regentschaft“ vor den vereinigten Kammern 
einen Eid zu schwören, die Verfassung des Königreichs fest und unverbrüchlich zu halten und 
in Uebereinstimmung mit derselben und den Gesetzen zu regieren. Bis zu dieser Eidesleistung 
bleibt das bestehende gesammte Staatsministerium für alle Regierungshandlungen ver- 
antwortlich (Art. 58). 
Leistet der Regent — gleichgültig, ob er der nächste Agnat oder erwählt ist — den Eid 
nicht, so ist anzunehmen, daß er auf die Regentschaft verzichtet. Bis zur Eidesleistung ist der 
Regent insofern in der Ausübung beschränkt, als er das bei Eintritt des Regentschaftsfalles 
„bestehende“ Ministerium nicht entlassen und Regierungshandlungen nur unter Verantwort- 
lichkeit also auch nur unter Mitwirkung des gesammten Staatsministeriums vornehmen kann. 
  
1) Uebereinstimmend Schulze a. a. O. S. 215.
	        
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