46 Zweites. Buch: Staat und Staatsverfassung. I. Kapitel. 8 16.
Das Ende der Regentschaft tritt ein, wenn ihr Grund weggefallen ist. War Minder—
jährigkeit des Königs Grund der Regentschaft, so hört das Recht des Regenten im Namen des
Königs die Staatsgewalt auszuüben, in dem Augenblicke auf, in dem dieser nach Art. 54 V. U.
volljährig und daher regierungsfähig ist. Bei der sog. außerordentlichen Regentschaft dagegen
ist der Wegfall des Hinderungsgrundes ebenso durch die Kammern festzustellen, wie dessen Be-
stehen festzustellen war. Namentlich kann zwar der Regent selbst durch seinen Verzicht auf
die Regentschaft für seine Person die Regentschaft beendigen, dieser Verzicht kann aber den
Beschluß des Landtags über das Vorhandensein des Verhinderungsgrundes nicht beseitigen,
daher auch einen den Wegfall des Hinderungsgrundes feststellenden Beschluß nicht überflüssig
machen. Das Recht des Regenten auf die Regentschaft erlischt abgesehen vom Tode dadurch,
daß er die Regentschaft niederlegt oder selbst regierungsunfähig wird. Ebenso hört das Recht
des gewählten Regenten auf, sobald der nächste Agnat, der zur Zeit des Eintritts der Regent-
schaft noch nicht volljährig war, volljährig wird. Es übernimmt dann dieser die Regentschaft##).
II. Die Regierungsstellvertretung. Von einer Regierungsstellvertretung spricht
man dann, wenn der regierungsfähige Monarch einzelne Regierungsakte oder auch die ge-
sammte Staatsgewalt durch eine von ihm hierzu beauftragte oder ermächtigte Person ausüben
läßt. Die V. U. spricht von der Stellvertretung überhaupt nicht, sondern bestimmt nur, daß
im Falle der „dauernden Verhinderung“ eine Regentschaft einzutreten habe. Man hat daraus
schließen zu können geglaubt, daß im Falle einer bloß vorübergehenden Verhinderung
eine Stellvertretung stattfinden könne. Die Vorschrift der V. U. Art. 56 ist jedoch dahin aus-
zulegen, daß im Falle völliger Regierungsunfähigkeit, welche allerdings in der Regel dauernd
sein wird, die Regentschaft eintreten muß. Aus Art. 56 V. U. ist also für die Frage der Zu-
lässigkeit der Regierungsstellvertretung überhaupt nichts zu entnehmen. Es ist nun gegen die
Zulässigkeit geltend gemacht worden, daß die V. U. überhaupt eine solche Stellvertretung nicht
vorgesehen habe 2) und daß diejenigen Rechte, welche dem Landesherrn durch die Verfassung
zur persönlichen Ausübung übertragen worden sind, auch nur auf Grund einer verfassungs-
mäßigen Bestimmung auf eine andere Person übertragen werden können 3). Die Mehrzahl der
Theoretiker hat sich jedoch für die Zulässigkeit ausgesprochen und ebenso ist sie von der Praxis
anerkannt worden und zwar mit Recht. Bei der Stellvertretung handelt es sich gar nicht um
den Uebergang monarchischer Regierungsrechte auf einen Dritten, sondern nur um die Aus-
übung von Regierungsrechten durch einen Bevollmächtigten. Der Stellvertreter ist nicht wie
der Regent selbstständiger Inhaber der Regierungsgewalt, diese behält vielmehr der Monarch,
der jeden Augenblick den Auftrag wieder zurücknehmen kann. Der Stellvertreter handelt nur
im „allerhöchsten Auftrage“, den er nach den Weisungen des Monarchen ausführen muß.
Deshalb gilt auch ein vom Stellvertreter sanktionirtes Gesetz als ein vom Monarchen selbst
erlassenes Gesetz. Daraus folgt auch, daß der Stellvertreter verantwortlich ist, nicht bloß für
die Ausübung des Auftrags seinem Auftraggeber gegenüber, sondern auch für die Vornahme der
von ihm bethätigten Regierungshandlungen nach Maßgabe der Gesetze.
Daß aber die V. U. von der Stellvertretung nicht spricht, ist um deswillen gleichgültig,
weil es von jeher gewohnheitsrechtlich anerkannt war, daß der Landesherr die ihm zustehenden
Rechte durch Andere ausüben lassen kann, soweit er in dieser Beziehung durch die Verfassung
nicht ausdrücklich beschränkt ist.
Die Uebertragung der Regierungsrechte oder einzelner derselben auf einen Stellvertreter
wird in der Regel erfolgen, wenn der König vorübergehend an der Ausübung der Regierung
oder eines Theiles derselben verhindert ist. Es steht aber auch nichts im Wege, daß der König
1) Es ergiebt sich dies aus den Worten des Art. 57: „Ist kein volljähriger Agnat vorhanden.“
2) Rönne a. a. O. S. 186 ff.
3) G. Meyer, Deutsches Staatsrecht, 2. Aufl., § 93, S. 208.