Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

§ 17. Die Familiengewalt des Königs und das königliche Haus. 47 
ohne einen solchen Grund einen Stellvertreter aufstellt. Der Umfang der dem Stellvertreter 
übertragenen Rechte bemißt sich lediglich nach dem Inhalte des Auftrages, wie auch die Dauer 
der Vollmacht ausschließlich vom Willen des Königs abhängt. Ebenso ist der König frei in 
der Auswahl der Person des Stellvertreters 1), namentlich ist er nicht gehalten, diejenige 
Person zu wählen, die im Falle der Nothwendigkeit einer Regentschaft, dieselbe zu übernehmen 
hätte. Bezüglich der rechtlichen Stellung des Stellvertreters ist bereits bemerkt worden, daß 
er für die von ihm vorgenommenen Handlungen rechtlich verantwortlich ist, trotzdem bedürfen 
seine im Namen und Auftrage des Monarchen vorgenommenen Regierungshandlungen der 
Gegenzeichnung der Minister, schon aus dem Grunde, weil hierdurch die Unverantwortlichkeit 
seines Auftraggebers gedeckt wird. 
Die Stellvertretung erlischt, abgesehen von der Zurücknahme des Auftrags und den Tod 
des Stellvertreters, durch den Tod, bezw. Abdankung und durch Regierungsunfähigkeit des 
Monarchen, da die Stellvertretung die Regierungsfähigkeit des Vertretenen voraussetzt ) 
8 17. Die Familiengewalt des Königs und das königliche Haus 5). I. Die Fa- 
miliengewalt des Königs umfaßt die Gesammtheit der Befugnisse, die dem Staatsoberhaupte 
als Haupt der landesherrlichen Familie zustehen. Diese Befugnisse tragen einen doppelten Cha- 
rakter an sich. Grundlage und Ausgangspunkt bilden die familienrechtlichen Beziehungen des 
Königs zu den Mitgliedern des königlichen Hauses; ihren Charakter erhalten sie aber dadurch, 
daß die Mitglieder des königlichen Hauses nicht bloß der privatrechtlichen Familiengewalt des 
Königs unterworfen, sondern ihm auch als Unterthanen untergeben sind. Da nun die landes- 
herrliche Familie, als diejenige deren Mitglieder eventuell zur Thronfolge berechtigt sind, eine 
besondere öffentlich-rechtliche Stellung einnimmt, so erscheint auch die Familiengewalt als Be- 
standtheil der Staatsgewalt und muß also, soweit es sich um die öffentlich-rechtliche Seite der- 
selben handelt, vom Regenten ausgeübt werden. 
II. Das Sonderrecht der landesherrlichen Familie in Preußen ist hervorgegangen aus 
dem Sonderrechte des deutschen hohen Adels überhaupt, zu dem zu Zeiten des Reiches die 
landesherrlichen Familien als reichsunmittelbare gehörten, deren Haupt im Besitze der Reichs- 
standschaft und Landeshoheit war. Da die Mitglieder des hohen Adels nicht als Unterthanen 
des Familienhauptes, sondern als reichsunmittelbar galten, so konnte sich das Sonderrecht des 
hohen Adels, abgesehen von der Reichsgesetzgebung, nur im Wege des Vertrags unter den 
Familienmitgliedern fortbilden. 
In Preußen gestaltete sich aber die Sache um deswillen anders, weil der König als 
souveräner Herrscher in Preußen der Reichsgewalt nicht unterworfen war und die Mitglieder 
1) Art. 77 der V. U., wornach die Eröffnung und Schließung der Kammern durch den König 
in Person oder durch einen von ihm beauftragten Minister erfolgt, scheint den König in der Wahl des 
Stellvertreters in diesem Falle zu beschränken. 
2) In Preußen sind schon verschiedene Fälle der Regierungsstellvertretung vorgekommen. Durch 
A.E. vom 23/10. 1857 (G. S. S. 807) wurde dem damaligen Prinzen von Preußen die Vertretung des 
erkrankten Königs zunächst auf 3 Monate übertragen und diese Uebertragung auf je weitere 3 Monate durch 
die A. E.A.E. v. 6/1., 9/4. und 25/6. 1858 wiederholt. Ferner hat König Wilhelm I. nach dem Nobiling'= 
schen Attentat durch A.E. v. 4/6. 1878 (G. S. S. 253) dem damaligen Kronprinzen seine Vertretung 
in der oberen Leitung der Regierungsgeschäfte übertragen. Ein A.E. vom 17/11. 1887 (G.S. 1888 
S. 15) beauftragte den Prinzen Wilhelm in allen Fällen, in denen der König bei den laufenden Regie- 
rungsgeschäften einer Vertretung bedürfen würde, mit derselben. Endlich wurde durch A.E. v. 21/3. 
1888 (G. S. S. 20) der Kronprinz mit Bearbeitung und Erledigung derjenigen zur königl. Entscheidung 
gelangenden Regierungsgeschäfte betraut, die der König dem Kronprinzen überweisen würde. 
3) Schulze, das preuß. Staatsrecht, 2. Aufl. 1, S. 413 f. — Derselbe, die Hausgesetze 
u. s. w., III. Bd. (die Einleitung enthält eine kurze Geschichte des königl. Hauses). — Bornhak 
Preuß. Staatsrecht, Bd. I, S. 347 ff. — Rönne, Staatsrecht der preuß. Monarchie, 4. Aufl., Bd. II, 
S. 278 ff. — H. Schulze, das deutsche Fürstenrecht in Holtzendorff's Encyklopädie, IV. Aufl. 
S. * ff. — Brie, Art. Landesherrl. Haus in Stengels Wörterbuch des Verw.-Rechts, II. Bd. 
S. . 
 
	        
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