Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

8 18. Der König von Preußen als deutscher Kaiser. 53 
§ 18. Der König von Preußen als deutscher Kaiser 1. I. Nach Art. 11 d. R.V. 
steht das Präsidium des Bundes dem König von Preußen zu, welcher den Namen Deutscher 
Kaiser führt. Durch diese Bestimmung sind alle diejenigen Befugnisse, welche die Reichs- 
verfassung dem Bundesoberhaupte und dem Bundesfeldherrn beilegt, mit der Krone Preußen 
untrennbar verbunden worden. Daraus ergiebt sich, daß stets derjenige, welcher nach Maß- 
gabe der Vorschriften der preußischen Verfassungs-Urkunde Inhaber der preußischen Krone 
ist, auch die kaiserlichen Befugnisse im Reiche auszuüben hat. Ebenso muß auch derjenige, der 
als Regent an Stelle des verhinderten preußischen Monarchen die Staatsgewalt ausübt, 
an dessen Stelle in Bezug auf die Ausübung der kaiserlichen Rechte treten. Das Gleiche gilt 
von demjenigen, den sich der König von Preußen zum Regierungsstellvertreter bestellt hat. Da 
in dieser Hinsicht allein das preußische Verfassungsrecht bestimmend ist, hat daher auch die 
Reichsverfassung keinerlei Vorschriften darüber. 
II. Das preußische Staatsrecht ist maßgebend für den Erwerb der Kaiserwürde und 
für die Frage der Ausübung der kaiserlichen Rechte im Falle einer Regentschaft, aber nicht 
für den Inhalt und Umfang der kaiserlichen Rechte. Die Regierungsrechte des Kaisers be- 
stimmen sich vielmehr lediglich durch die Reichsverfassung und die Reichsgesetze; die Dar- 
stellung derselben gehört daher nicht in das preußische Staatsrecht 2). Hervorzuheben ist hier 
nur noch folgender Punkt: Während in allen übrigen deutschen Staaten die Person des Landes- 
herrn von der des Kaisers getrennt ist, fällt für Preußen Beides in Einer Person zusammen. 
Trotzdem müssen beide Regierungsfunktionen in Theorie und Praxis getrennt werden. Aeußer- 
lich tritt diese Verschiedenheit in der Weise zu Tage, daß bei Regierungsverhandlungen, welche 
der König von Preußen als solcher vornimmt, der Kaisertitel nicht geführt wird, während 
derselbe überall vorangestellt wird, wo das Reichsoberhaupt Befugnisse der Reichsgewalt aus- 
übt. Dies macht sich auch im Verhältnisse des preußischen Staates zum Reiche geltend: in- 
sofern der König von Preußen die Rechte des preußischen Staates, die diesem durch die 
Reichsverfassung und die Reichsgesetze eingeräumt sind, geltend macht, handelt er als König 
von Preußen; vgl. z. B. Art. 35 d. R.V., während er als Kaiser Namens des Reiches handelt. 
III. Der Grundsatz der Unverantwortlichkeit ist zwar in der Reichsverfassung 
bezüglich der Person des Kaisers nicht ausdrücklich ausgesprochen worden, aber als selbstver- 
ständlich vorausgesetzt, da sich die Person des Kaisers von der des unverantwortlichen Königs 
von Preußen gar nicht trennen läßt. Außerdem hat dieser Grundsatz in Art. 17 d. R.V. da- 
durch Anerkennung gefunden, daß die Anordnungen und Verfügungen des Kaisers zu ihrer 
Gültigkeit der Gegenzeichnung des Reichskanzlers bedürfen, der dadurch die Verantwortlichkeit 
übernimmt. 
Ebenso ist die Person des Kaisers unverletzlich, weßhalb das R. Str. G. B. 88 80, 
94, 95 den Mord und den Versuch des Mords, und Thätlichkeiten und Beleidigungen, die 
gegen den Kaiser, wo auch immer im Gebiete des Reiches begangen, mit Strafe bedroht sind, 
so daß der Kaiser auch außerhalb Preußens nicht als fremder Landesherr betrachtet wird. 
IV. Der völkerrechtlichen Stellung des Kaisers entsprechen auch die dem König von 
Preußen in dieser Eigenschaft zustehenden Ehrenrechte. Als deutscher Kaiser führt der 
  
1) Schulze, das preuß. Staatsrecht, 2. Aufl., II. Bd., S. 583 ff. — Rönne, das Staats- 
recht des deutschen Reiches, 2. Aufl., I. Bd., S. 224 ff. . 
2) Ebenso wenig besteht aber ein Anlaß, hier genauer die rechtliche Stellung Preußens im 
deutschen Reiche zu besprechen und zu untersuchen, inwieweit nach Maßgabe des Reichsverfassungsrechts 
den deutschen Einzelstaaten überhaupt und dem Preußen im Besonderen die Eigenschaft „souveräner 
Staaten“ zukommt. Selbst diejenigen, welche wie Hänel, deutsches Staatsrecht, l, S. 802 leugnen, 
daß die deutschen Einzelstaaten mangels der Souveränität Staaten sind, bestreiten doch nicht, daß ihnen 
die Landeshoheit und damit Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung zu eigenem Rechte zustehen 
und daß sie im Rahmen des Reichsverfassungsrechts diese Befugnisse nach Maßgabe ihres Verfassungs- 
rechts wie Staaten ausüben.
	        
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