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23/10. 1817 § 2 Nr. 1. bezw. Kab.O. v. 31/12. 1825 D in den Wirkungskreis der ersten
Abtheilung der Bezirksregierungen an deren Stelle jetzt der Regierungspräsident getreten ist.
§20. Die Staatsangehörigen). I. Die Staatsangehörigen sind diejenigen Personen,
welche der Staatsgewalt unterworfen sind, nicht wegen der Thatsache des Aufenthalts im
Staatsgebiete, wie dies bei den Fremden zutrifft, sondern wegen des besonderen rechtlichen
Bandes, das sie mit dem Staate verknüpft, so daß sie also auch außerhalb des Staatsgebietes
die aus der Staatsangehörigkeit oder Staatsmitgliedschaft sich ergebenden Rechte und Pflichten
oder wenigstens einzelne derselben haben.
II. Was den Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit anlangt, so war
am 31/12. 1842 ein Gesetz über die Erwerbung und den Verlust der Eigenschaft als preußischer
Unterthan und den Eintritt in fremde Staatsdienste (G. S. 1843 S. 15 ff.) ergangen. Dieses
Gesetz stellte ebenso wie das R.G. v. 1/6. 1870 bestimmte einzelne Erwerbs= und Verlust-
gründe auf, während vorher die Staatsangehörigkeit im Wesentlichen vom Wohnsitze abhängig
war. In den im Jahre 1866 neuerworbenen Gebieten, mit Ausnahme der Enklave Kauls-
dorf und des Oberamts Meisenheim, gelangte das G. v. 31/12. 1842 nicht zur Einführung,
so daß daselbst die bisher geltenden Bestimmungen über Erwerb und Verlust der Staatsan-
gehörigkeit in Kraft blieben. Gegenwärtig ist der Gegenstand reichsgesetzlich geregelt, nämlich
durch das R.G. v. 1/6. 1870 über den Erwerb und Verlust der Bundes= und Staatsange-
hörigkeit (B.G.Bl. S. 355). Eine eingehende Darlegung des Inhalts dieses Gesetzes ist daher
den Darstellungen über das Reichsstaatsrecht vorzubehalten. Hier genügt eine kurze Ueber-
sicht der Erwerbs= und Verlustgründe der Staatsangehörigkeit unter Angabe der Zuständigkeit
der Behörden, welche die auf Grund des Gesetzes v. 1/6. 1870 erforderlichen, bezw. veran-
laßten Verfügungen zu treffen haben.
Die Staatsangehörigkeit wird erworben: 1. durch Geburt, d. h. durch eheliche
Abstammung von einem deutschen (preußischen) Vater und uneheliche Abstammung von einer
deutschen (preußischen) Mutter. Der Ort der Geburt ist gleichgültig. 2. Durch eine den ge-
setzlichen Erfordernissen entsprechende Legitimation eines unehelichen Kindes durch den die
preußische Staatsangehörigkeit besitzenden Vater. Die Adoption übt auf die Staatsange-
hörigkeit keinen Einfluß. 3. Durch Verheirathung einer Frauensperson, die die preußische
Staatsangehörigkeit nicht besaß mit einem Preußen. 4. Durch Verleihung. Die Verleihung
erfolgt durch eine von der höheren Verwaltungsbehörde ausgefertigte Urkunde; sie wird erst
wirksam mit dem Zeitpunkte der Aushändigung der Verleihungsurkunde. Als höhere Ver-
waltungsbehörde gilt nach § 155 Z.G. der Regierungspräsident, bezw. in Berlin nach § 42
Abs. 2 L.V.G. der Polizeipräsident. Die Verleihung der Staatsangehörigkeit erstreckt sich,
sofern nicht dabei eine Ausnahme gemacht wird, zugleich auf die Ehefrau und die noch unter
väterlicher Gewalt stehenden minderjährigen Kinder. Für die Verleihung der Staatsangehörig-
keit sind andere Vorschriften geltend je nachdem es sich um die Verleihung an den Angehörigen
eines anderen deutschen Staats — Aufnahme —, oder um die Verleihung der Staatsange-
hörigkeit an einen Ausländer — Naturalisation — handelt. Die Aufnahme muß nach § 7
R.G. v. 1/6. 1870 jedem Angehörigen eines anderen Bundesstaats ertheilt werden, der darum
nachsucht und nachweist, daß er in dem Bundesstaate, in welchem er die Aufnahme nachsucht,
sich niedergelassen habe, sofern kein Grund besteht, der nach §§ 2—5 Fr.G. die Abweisung
eines Neuanziehenden oder die Versagung der Fortsetzung des Aufenthalts rechtfertigt. Des-
halb findet auch nach § 155 Z.G. gegen den die Ertheilung der Aufnahmsurkunde versagenden
1) Rönne, das Staatsrecht der preuß. Monarchie, 4. Aufl., II, S. 1 ff. — Schulze, das
preuß. Staatsrecht, 2. Aufl., S. 342 ff. — Bornhak, Preuß. Staatsrecht I, S. 230 ff.
2) Laband, das Staatsrecht des deutschen Reichs, 2. Aufl., I, S. 125 ff. Zorn, Art. Reichs-
und Staatsangehörigkeit in Stengels Wörterbuch des Verw.-Rechts, II, S. 340 ff.