Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

62 Zweites Buch: Staat und Staatsverfassung. II. Kapitel. 8 21. 
II. Was den Begriff und Umkreis der Mediatisirten anlangt, so bestimmt die 
B.A. Art. 14, daß zu den Mediatisirten alle die i. J. 1806 und seitdem, also bis zum Jahre 
1815 mittelbar gewordenen reichsständischen fürstlichen und gräflichen Häuser gehören. Zweierlei 
wird hiernach zum Begriffe einer standesherrlichen Familie verlangt a) daß sie bis zur Auf— 
lösung des deutschen Reiches reichsunmittelbar war und b) die Reichsstandschaft, also die 
Landeshoheit in einem reichsunmittelbaren Territorium besaß, auf Grund dessen sie Sitz und 
Stimme im Reichstage hatte. Nicht zu den Standesherren gehören daher die sog. Persona- 
listenfamilien, die ohne reichsständisches Territorium bei einer Grafenbank immatrikulirt waren. 
Mit Rücksicht daraus läßt sich bei der Sonderstellung der Mediatisirten und den sich daraus 
ergebenden Vorrechten eine dingliche und persönliche Seite unterscheiden, indem diese Vorrechte 
sich entweder als ein Rest ihrer früheren Herrscherrechte über ihr Territorium, oder als eine 
Folge ihrer persönlichen Stellung, also die Zugehörigkeit zum hohen Adel ergeben #). 
Bezüglich der Sonderstellung der Standesherren im Einzelnen ist vor Allem festzuhalten, 
daß diejenigen Mediatisirten deren Standesherrschaften im preußischen Staatsgebiete liegen, 
preußische Unterthanen sind und daher grundsätzlich den übrigen Unterthanen gleichstehen, daß 
ihnen aber wie das G. vom 10/7. 1854 sagt, „auf Grund ihrer früheren staatsrechtlichen 
Stellung und der von ihnen besessenen Landeshoheit“ gewisse Vorrechte zustehen, die sich als 
Bevorzugungen gegenüber den übrigen Unterthanen darstellen. Diese Vorrechte sind haupt- 
sächlich folgende?2): 
1. Das Recht der Ebenbürtigkeit. Nach Art. 14 N. 1 der B.A. sollen die von 
1806—1815 mittelbar gewordenen fürstlichen und gräflichen Häuser „nichtsdestoweniger“ zum 
hohen Adel gerechnet werden, und ihnen das Recht der Ebenbürtigkeit in dem bisher damit 
verbundenen Begriffe verbleiben. Die preuß. V. v. 21/6. 1815 hat die Bestimmung wörtlich 
wiederholt, denselben Inhalt haben die hannöv. BV. v. 18/4. 1823 u. 9/5. 1826, sowie das 
kurhess. Ed. v. 29/5. 1833, während für Nassau eine allgemeine Verordnung nicht ergangen 
und ebensowenig eine Publikaton der einzelnen Recesse erfolgt ist. Trotzdem ist an der Gelt- 
ung des in Art. 14 B.A. aufgestellten Grundsatzes auch für Nassau nicht zu zweifeln. 
Das Recht der Ebenbürtigkeit steht sämmtlichen Mediatisirten ohne Rücksicht darauf zu, 
ob sie in Preußen oder überhaupt noch eine Standesherrschaft besitzen. 
2. Ehrenrechte. Zufolge Bundesbeschlusses v. 18/8. 1825 sollte den ehemals reichs- 
ständischen Familien ein ihrer Ebenbürtigkeit angemessener Titel und Rang und zwar den 
Fürsten das Prädikat „Durchlaucht“ und nach dem Beschlusse v. 13/2. 1829 den Häuptern 
der gräflichen Familien das Prädikat „Erlaucht“ beigelegt werden. Dies ist geschehen in 
Preußen durch die Kab. O. v. 21/2. 1832 G.S. S. 129). 
Da diese Prädikate als ein Ausfluß der Zugehörigkeit der Mediatisirten zum hohen 
Adel erscheinen, so sind sie unabhängig vom Besitze einer Standesherrschaft und stehen auch 
den nicht in Preußen begüterten Mediatisirten zu. 
Zu den Ehrenrechten gehören ferner die durch die V. v. 21/6. 1815 und die Instruktion 
v. 30/5. 1820 eingeräumten Rechte, daß nämlich der Standesherren und ihrer Familien in 
den standesherrlichen Bezirken beim Kirchengebete Erwähnung geschehen und daß beim Ableben 
des Standesherren, seiner Gemahlin und seines vermuthlichen Nachfolgers öffentliche Trauer 
vermittelst Trauergeläute und Untersagung öffentlicher Lustbarkeiten stattfinden darf und daß 
die Häupter der standesherrlichen Familien innerhalb des standesherrlichen Bezirks aus ihren 
eigenen Mitteln Ehrenwachen halten dürfen, deren Mitglieder jedoch nicht die Stellung staat- 
licher Militärpersonen haben und von der staatlichen Militärpflicht nicht befreit sind. Diese 
  
1) Eine Aufzählung der dem preuß. Staate angehörigen Standesherren giebt Bornhak a. a. O. 
S. 306 ff. 
2) In Bezug auf Einzelnheiten muß auf die eingehende Darstellung bei Rönne a. a. O., I, 
S. 301 ff. verwiesen werden.
	        
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