66 Zweites Buch: Staat und Staatsverfassung. II. Kapitel. 8 21.
Auf Antrag eines Familienhauptes ist jedoch die Entschädigung für das Haupt, sowie
für jedes einzelne gemäß Abs. 1 bezeichnete Mitglied der Familie nach den im § 4 angegebenen
Grundsätzen besonders festzusetzen. (§ 5 Abs. 3).
Gegen jede Entscheidung des Finanzministers, durch welche ein für ein Familienmit-
glied erhobener Entschädigungsanspruch zurückgewiesen wird, nicht aber wegen des Betrages
der festgesetzten oder festzusetzenden Entschädigung findet der Rechtsweg statt. Die Klagce ist
von dem betheiligten Familienmitgliede binnen einer Frist von drei Monaten von der Zu-
stellung der abweichenden Entscheidung des Finanzministers an gerechnet, bei dem zuständigen
Gerichte einzureichen. (8 5 Abs. 4.)
Die Auszahlung der festgesetzten Entschädigung erfolgt im Falle des § 5 Abs. 2 an
das Familienhaupt, im Falle des § 5 Abs. 3 an die einzelnen Familienmitglieder, welche an
der Entschädigung Theil nehmen. Im Uebrigen erläßt der Finanzminister die wegen der
Auszahlung erforderlichen Bestimmungen. (8 6.)
Zur Deckung des durch die Auszahlung der Entschädigungen entstehenden Bedürfnisses
ist der Finanzminister ermächtigt, Schuldverschreibungen auszugeben. (§ 7.)
Die preuß. V. v. 21/6. 1815 hatte den Mediatisirten dem bundesrechtlich zugesicherten
Steuerprivilegium entsprechend für ihre Domänen auch die Grundsteuerfreiheit einge-
räumt; in den mit ihnen abgeschlossenen Recessen verzichteten jedoch mehrere Standesherren
gegen Entschädigung darauf. Die GG. v. 21/5. 1861 über die Grund= und Gebäudesteuer
erkannten die Steuerfreiheit der Domanialgrundstücke und der dazu gehörigen Gebäude der
Mediatifirten an, soweit sie nicht selbst in besonderen Verträgen auf diese Freiheit verzichtet
hatten. In den neuen Provinzen ist nur das preußische G. v. 21/5. 1861 über die Ge-
bäudesteuer, nicht aber das über die Grundsteuer eingeführt. Nach der hannoverischen Grund-
steuerverfassung findet nun eine Befreiung der Standesherren von der Grundsteuer nicht statt,
nur die Domänen des Herzogs von Arenberg waren nach der V. v. 9/5. 1826 der königlichen
Domänen hinsichtlich der Grundsteuer gleichgestellt. Deshalb sicherte auch das G. v. 27/7.1878
dem Herzoge innerhalb des Herzogthums neben der Befreiung seiner Gebäude von der Gebäude-
steuer die Freiheit seiner Gärten von der Grundsteuer zu. In Kurhessen besteht ebenfalls eine
Befreiung der Standesherren von der Grundsteuer nicht, dagegen in Nassau nach dem Edikte
v. 10/14. Febr. 1809. Im Uebrigen sind auch in Hannover und Hessen-Nassau die oben-
erwähnten Bestimmungen des preuß. G. v. 21/5. 1861 über die Gebäudestener maßgebendt).
Bezüglich der Befreiung von Realsteuern vom Grundbesitz kommt vom 1/4. 1895 an § 24
des Kommunalabgabengesetzes vom 24/7. 1893 zur Anwendung, der diese Steuerfreiheit der
Standesherren allgenrein beseitigt.
8. Gerichtsherrliche und Regierungsrechte. Die B.A. hatte in Art. 14 N.
3d den Standesherren zugesichert, die Ausübung der bürgerlichen und peinlichen Gerichts-
barkeit in erster und wo die Besitzung groß genug ist, in zweiter Instanz, der Forstgerichts-
barkeit, Ortspolizei und Aufsicht in Kirchen- und Schulsachen, sowie über milde Stiftungen,
jedoch nach Vorschrift der Landesgesetze, denen sie, wie der Militärverfassung und Oberaufsicht
der Regierung über jene Zuständigkeiten unterworfen bleiben sollten.
Von diesen Rechten ist jetzt die Gerichtsbarkeit beseitigt (ogl. jedoch § 101 der Vor-
mundsch. O. v. 67. 1875), da 8§ 15 G.V.G. die Privatgerichtsbarkeit aufhob und auch be-
stimmte, daß Präsentationsrechte für Anstellungen bei den Gerichten, wie sie Preußen den
Standesherren für einige Richterstellen an den in ihren Gebieten belegenen Kreisgerichten
eingeräumt waren, nicht mehr stattfinden. ,
Anlangend die Regierungsrechte so bestimmen die 88 52—54 der Instr. v. 30/5. 1820:
a) die Standesherren haben das Kirchenpatronat und die Bestellung der Schullehrer, soweit
1) Bezüglich der Kreisabgaben in Westfalen vgl. westf. Kr. O. § 99.