Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

68 Zweites Buch: Staat und Staatsverfassung. II. Kapitel. § 215. 
ihrer Provinz eingeräumt worden, ebenso erhielten die Standesherren als Mitglieder der 
Provinzialstände die Befugniß zur persönlichen Theilnahme an der Landesvertretung auf Grund 
ihres standesherrlichen Besitzes in der Herrenkurie. 
Mit der Einführung der neuen Kreis= und Provinzialordnungen ist die Befugniß der 
Standesherren als solcher auf Theilnahme an den Provinziallandtagen beseitigt worden. 
Dagegen sind durch die kgl. V. v. 12/10. 1854 betr. die Bildung des Herrenhauses die nach 
der B.A. zur Standschaft berechtigten Häupter der vormaligen deutschen reichsständischen 
Häuser in Preußen mit erblicher Berechtigung berufen worden. 
10. Nach § 32 Instr. v. 30/5. 1820 steht den Standesherren frei, für ihre Person 
und Familie in Absicht aller persönlichen Beziehungen und Leistungen aus der Verbindung mit 
den Gemeinden auszuscheiden. Auch sollen die im Kommunalverbande begriffenen Besitz- 
ungen der Standesherren, bei welcher sie die Befreiung von der ordentlichen Grundsteuer ge- 
nießen, in Absicht aller Kommunalrechte und Verbindlichkeiten, soweit nicht Verträge oder er- 
gangene Judikate ein anderes festsetzen, den königlichen Domänen derselben Provinz unter 
einerlei Verhältnisse gleichgeachtet werden 1). (Vgl. unter Nr. 8.) 
Erwerb und Verlust der standesherrlichen Vorrechte ist von verschiedenen Voraus- 
setzungen abhängig, je nachdem es sich um die persönlichen oder dinglichen Vorrechte handelt. 
Die persönlichen Vorrechte sind bedingt durch die Zugehörigkeit zu einer reichsunmittelbaren, 
zur Reichsstandschaft berechtigt gewesenen Familie; da nun die Reichsunmittelbarkeit und 
Reichsstandschaft nicht mehr verliehen werden kann, können auch die Sonderrechte der Stan- 
desherren als Mitglieder des hohen Adels nicht verliehen werden2). Deshalb kann der Er- 
werb der persönlichen Vorrechte nur durch Geburt, bezw. durch Verheirathung einer nicht dem 
hohen Adel angehörigen Frau mit einem Mediatisirten erfolgen. 
Ebenso können auch die Vorrechte des hohen Adels nur verloren gehen mit dem Willen 
der betr. Person, also entweder durch ausdrücklichen Verzicht oder durch Verheirathung einer 
hochadeligen Frau mit einem nicht zum hohen Adel gehörigen Manne. 
Die dinglichen Vorrechte der Mediatisirten haben dagegen zur Voraussetzung den Besitz 
des ehemals reichsunmittelbaren und zur Reichsstandschaft berechtigenden Gebiets. Das Haupt 
der Familie erwirbt die Sonderstellung mit dem Besitze des standesherrlichen Gebiets und 
verliert sie mit Aufgabe desselben. 
Erfolgt die Aufgabe des Gebiets an ein anderes Mitglied der standesherrlichen Familie, 
so ist dieser Uebergang für die Stellung der Familie zum Staate gleichgültig. Erfolgt da- 
gegen die Veräußerung an einen Fremden, so gehen die mit dem Besitze der Standesherrschaft 
verbundenen Rechte verloren. ). 
§ 21a. Die Rechtsunterschiede unter den Staatsangehörigen. B. Die Deposse- 
dirtent). Die Fürsten, bezw. fürstlichen Familien derjenigen Länder, welche i. J. 1866 mit 
der preußischen Monarchie vereinigt wurden, gehören nicht zu den Mediatisirten im Sinne der 
B.A. und der auf Grund derselben erlassenen Landesgesetze; sie nehmen aber theilweise in Folge 
besonderer Vereinbarungen oder ausdrücklicher gesetzlicher Vorschriften eine den Standesherren 
  
1) Vgl. dazu Kab.O. v. 14/6. 1829 (G. S. S. 117); westf. St.O. v. 17/3. 1856 § 87, westf. 
L.G.O. v. 10/3. 1855 §F 85; rhein. G.O. v. 23/7. 1845 88 5, 43, 118. St.O. v. 15/5. 1856 § 94. 
2) Allerdings können durch Landesgesetz einer nichtstandesherrlichen Familie die Sonderrechte 
einer standesherrlichen eingeräumt werden (vgl. z. B. Kab.O. v. 22/10. 1861 bezüglich des Titels „Durch- 
laucht“, der allen, auch den bloß landsässiig gewesenen Fürsten verliehen worden ist); ein derartiges, 
nur für den betreffenden Staat wirksames Gesetz kann aber die Eigenschaft des hohen Adels, die auf 
völkerrechtlichem Herkommen beruht, nicht verleihen und nicht Rechte schaffen, die wie die Ebenbürtig- 
keit der Machtsphäre des einzelnen Staates nicht unterliegen. 
3) Der Unterschied, den die Instruktion von 1820 zwischen der Veräußerung der Eigenthums- 
rechte und der Standesherrlichkeit machte, trifft nicht mehr zu. Vgl. Bornhak a. a. O. S. 334 f. 
4) Bornhak, Preuß. Staatsrecht, 1, S. 335 ff.
	        
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