8 24. Die rechtliche Stellung des Landtags. 73
§ 23. Die Fremden . I. Fremde oder Ausländer sind gegenüber dem preußischen
Staate alle Personen, die die preußische Staatsangehörigkeit nicht besitzen. In Beziehung
zum preußischen Staate treten Fremde in der Regel nur dadurch, daß sie sich zeitweilig im
preußischen Staatsgebiete aufhalten, oder daselbst Grundeigenthum oder sonstige dingliche Rechte
besitzen (Forensen). Da die Fremden nicht die preußische Staatsangehörigkeit besitzen, stehen
ihnen auch nicht die Rechte zu, die aus der Staatsangehörigkeit sich ergeben und ebensowenig
haben sie die daraus entspringenden Pflichten zu erfüllen, mit der Maßgabe jedoch, daß die im
preußischen Staate sich aufhaltenden Fremden während ihres Aufenthalts den preußischen Ge-
setzen unterworfen sind und die Forensen die auf dem im Inlande befindlichen Vermögen
liegenden öffentlichen Lasten zu tragen haben.
Die Fremden haben, weil sie nicht Staatsangehörige sind, kein Recht an den Staat,
namentlich haben sie kein Recht des Aufenthalts im Staate, so daß sie jeder Zeit ausgewiesen
werden können. (Vgl. § 90.)
II. Als Fremde sind Preußen gegenüber an und für sich auch die Angehörigen der
übrigen deutschen Staaten zu betrachten. Dieselben sind jedoch durch das Reichsrecht
in den wichtigsten Beziehungen, sowohl was die Pflichten, z. B. bezüglich der Wehrpflicht, wie
die Rechte anlangt, den Preußen gleichgestellt. Insbesondere kommt hier in Betracht Art. 3
R.V., welcher ein gemeinsames Bundesindigenat mit der Wirkung schuf, daß der Angehörige
eines jeden Bundesstaates in jedem anderen Bundesstaat als Inländer zu behandeln und dem-
gemäß zum festen Wohnsitz, zum Gewerbebetrieb, zu öffentlichen Aemtern, zur Erwerbung
von Grundstücken, zur Erlangung des Staatsbürgerrechts und zum Genuß aller sonstiger
bürgerlicher Rechte unter denselben Voraussetzungen wie der Einheimische zuzulassen, auch in
Betreff des Rechtsschutzes und der Rechtsverfolgung gleich zu behandeln ist2).
Insoweit die in Art. 3 Abs. 1 R.V. aufgeführten Verhältnisse gegenwärtig reichsge-
setzlich geregelt sind, wie die Rechtsverfolgung, der Gewerbebetrieb u. s. w. ist der Unterschied
zwischen Preußen und nichtpreußischen Deutschen in der Hauptsache vollständig beseitigt.
Dennoch sind durch Art. 3 a. a. O. keineswegs alle Deutschen zu preußischen Staatsangehörigen
gemacht; sie sind ihnen nur in gewissen Beziehungen gleichgestellt. Dies macht sich namentlich
bei der Ausübung der politischen Rechte geltend, soweit sie sich auf den preußischen Staat be-
ziehen, die theilweise, wie z. B. das Landtagswahlrecht, noch vom Besitze der preußischen
Staatsangehörigkeit abhängig ist, während bei den Kommunalwahlen (Wahlen zum RKreistag
und Provinziallandtag u. s. w.) das Wahlrecht jetzt gewöhnlich dem Reichsangehörigen einge-
räumt ist.
Da das sog. Fremdenrecht den verschiedensten Rechtsgebieten angehört, wird die Stell-
ung der Fremden, sowohl der Nichtdeutschen, wie der nichtpreußischen Deutschen in den betr.
Verwaltungszweigen genauer zu besprechen sein, und ist daher von einem Eingehen auf die Ein-
zelheiten des Fremdenrechts hier abzusehen.
III. Kapitel.
Die Volksvertretung.
§24. Die rechtliche Stellung des Landtags ). I. Prcußen ist eine (sog.) konstitutionelle
Monarchie, d. h. der König ist bei Ausübung der Staatsgewalt, insbesondere der sog. gesetzgebenden
1) Rönne, das Staatsrecht der preußischen Monarchie. 4. Aufl., I, S. 5 ff. — Zorn, Anrt.
Ausland und Ausländer in Stengels Wörterbuch des Verw.-Rechts. I, S. 117 ff.
2) Vgl. über die Tragweite des Art. 3 R.V. Laband, das Staatsrecht des deutschen Reichs,
2. Aufl. I, S. 168 ff.
3) Rönne, das Staatsrecht der preuß. Monarchie. 4. Aufl., I. Bd. S. 198 ff. — Schulze,
das preuß. Staatsrecht, 2. Aufl., I, S. 541 ff. — Bornhak, Preuß. Staatsrecht, I, S. 355 ff.