82 Zweites Buch: Staat und Staatsverfassung. III. Kapitel. 827.
Mitglieder der Oberrechnungskammer nicht Mitglieder eines der beiden Häuser des Landtags
sein können; d) in Folge rechtskräftiger Verurtheilung zum Verluste der bürgerlichen Ehren-
rechte nach §§ 33, 34 R. Str. G.B., sowie zur Zuchthausstrafe 1); e) in Folge Verlustes der
preußischen Staatsangehörigkeit; 4. Tod des Abgeordneten.
In den Fällen 1 und 2 hat die Regierung sofort eine Neuwahl zu veranlassen, in den
Fällen 3 und 4, wenn der Abgeordnetensitz während der Dauer einer Legislaturperiode ein-
tritt, macht der Präsident des Abgeordnetenhauses dem Minister des Innern Anzeige, damit
dieser die Ersatzwahl veranlasse.
Ueber die Frage, ob das Mandat eines Abgeordneten als erloschen zu betrachten ist,
entscheidet das Abgeordnetenhaus selbst, da in dem dem Abgeordnetenhause durch Art. 78
Abs. 1 V. U. eingeräumten Rechte der Legitimationsprüfung auch die Befugniß zur Ent-
scheidung darüber liegt, ob die Abgeordneteneigenschaft noch fortbesteht.
§ 27. Zuständigkeit und Rechte des Landtags?). I. Die Rechte des Landtags
theilt man gewöhnlich ein in a) kollegiale, b) politische. Die kollegialen Rechte beziehen
sich auf die autonome Stellung, welche die Kammern als Kollegien einnehmen, während die
politischen Rechte die Theilnahme an der Ausübung der Staatsgewalt durch den König zum
Gegenstande haben.
Was zunächst die kollegialen Rechte anlangt, so bildet jede Kammer, sobald sie nach
Einberufung durch den König konstituirt ist, ein Kollegium mit den durch die Gesetze, insbe-
sondere die Verfassungsurkunde ihnen eingeräumten Befugnissen, wie sie auch einen bestimmten
strafrichterlichen Schutz genießen (R.Str. G. B. 9§ 197, 105). Im Einzelnen sind die kolle-
gialen Rechte folgende: 1. Jede Kammer hat das ausschließliche Recht der Prüfung der Legi-
timation ihrer Mitglieder und der Entscheidung darüber (V. U. Art. 78 Abs. 1). 2. Jede
Kammer hat das Recht, der Wahl ihres Präsidenten, ihres Vizepräsidenten und ihrer Schrift-
führer, ohnc daß diese Wahlen der Bestätigung der Regierung bedürften (V. U. Art. 78 Abs. 1).
3. Jede Kammer hat das Recht, ihren Geschäftsgang und ihre Disciplin in den Schranken der
durch die Verfassungsurkunde selbst gegebenen Bestimmungen durch eine der Bestätigung der
Regierung nicht unterliegende Geschäftsordnung zu regeln (ibidem). Dieses Recht bezieht sich
selbstverständlich nur auf die eigene (innere) Geschäftsordnung des betreffenden Hauses; Be-
stimmungen, die auch für das andere Haus oder für die Beziehungen der Kammer zur Staats-
regierung maßgebend sein sollen, können nur auf Grund einer Vereinbarung beider Häuser,
bezw. mit der Staatsregierung getroffen werden. Für das Abgeordnetenhaus gilt gegenwärtig
die Geschäftsordnung v. 16/5.1876; für das Herrenhaus die Geschäftsordnung v. 12/2.1874.
Aus der den Kammern in Bezug auf die Geschäftsordnung eingeräumten Autonomie folgt,
daß sie jederzeit Abänderungen ihrer Geschäftsordnungen beschließen können. 4. Jede Kammer
hat während der Dauer der Sitzungsperiode das Recht der Polizei in ihrem Sitzungsgebäude;
die Ausübung der Hauspolizei steht dem Präsidenten nach Maßgabe der Geschäftsordnung zu.
Als Kollegien werden die Kammern durch den Präsidenten vertreten, der auch den Verkehr
mit der Regierung und dem andern Hause zu vermitteln hat.
II. Die politischen Rechte beruhen sämmtlich auf der Befugniß, an der Ausübung
der Staatsgewalt mitzuwirken und die Ausübung der Staatsgewalt zu kontrolliren. Die
Mitwirkung der Volksvertretung erstreckt sich an und für sich auf alle Gebiete staatlicher
Thätigkeit mit der Maßgabe jedoch, daß der Volksvertretung nur diejenigen Rechte zustehen,
welche ihr ausdrücklich eingeräumt sind, so daß die Vermuthung dafür spricht, daß der König
1) Vgl. hierüber Bornhak a. a. O. S. 394. — Kirchenheim, Artikel „Wahlen“ § 2 in
Stengels Wörterbuch des Verw.-Rechts II, S. 851.
2) Rönne, das Staatsrecht der preuß. Monarchie, 4. Aufl., I, S. 286 ff. — Schulze, das
preuß. Staatsrecht, 2. Aufl., S. 608 ff. — Bornhak, Preuß. Staatsrecht, I. S. 425 ff.