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gelten muß, da die hier vertretene Auffassung (wenn auch
nicht mit der hier gegebenen, meist überhaupt ohne jede
Begründung) von den Militärbefehlshabern wie vom
Reichsgericht (s. oben) in konstanter Praxis vertreten wird,
folgt, daß zumal keine Seite der Verwaltung einem
Eingriff des Militärbefehlshabers verschlossen ist. Er
kann die sonst unantastbare Gewerbefreiheit durch
Schließung von Läden einschränken, er kann ebensowohl
Vorschriften über Nahrungsmittel, dabei keines-
wegs durch die Bundesratsverordnung vom 22. Mai 1916
über Kriegsmaßnahmen zur Sicherung der Volksernährung
(Deutscher Reichsanzeiger vom 22. Mai 1916 Nr. 123)
in seinen Befugnissen zugunsten des Reichskanzlers oder
des Kriegsernährungsamtes eingeschränkt — vgl. Bayr.
ObL G. vom 18. November 1915, Beibl. JMl. 1915
S. 477.—, so. daß also auch deren Anordnungen durch
eine zeitlich nachfolgende eines Mitärbesehishabers auf-
gehoben werden könnten (aus Zweckmäßigkeitsgründen
aber sicher nicht werden!), wie über das Gesundheits-
wesen, über Fremdenpolizei, erlassen, er kann die Aus-
zahlung von Löhnen an Jugendliche verbieten und die Be-
strafung von Personen anordnen, die die Strafmündigkeit
noch nicht erreicht haben, kurz, seine Gewalt aus § 9b
ist unbeschränkt, sofern sie nicht in die durch § 5 durch
Nichterwähnung geschützte Sphäre eingreift und sofern sie
im Interesse der öffentlichen Sicherheit wirksam wird. —
Eine Kasuistik, die nicht zum Wesen dieses Kommentars
gehört, werde ich nicht geben. Vgl. die wertvollen Zu-
sammenstellungen der militärischen Anordnungen aus §9b
bei Menner aaO. S. 83—85 und im „Recht“ 1916
S. 310—330. Z Z ç ·
II. Die öffentliche Sicherheit. Die Frage des
richterlichen Nachprüfungsrechtes.
a) Die von den Gegnern der hier vertretenen Meinung
getadelten weitgehenden Befugnisse des Militärbefehls-
habers aus § 9b rühren zu großem Teile von einer Über-
spannung des Begriffs „öffentliche Sicherheit“ her. Zielt
diese in normalen Zeiten in erster Linie:) auf die
4) Vgl. aber die berühmte Begriffsbestimmung der
polizeilichen Urtonen in ALR. II. 17. 10.
Strupp, Belagerungsgesetz. 7