Full text: Deutsches Kriegszustandsrecht.

809. 111 
tretenen Auslegung zu dem Ergebnis, daß ein 
Irrtum über Inhalt oder Tragweite oder Grenzen des 
militärischen Verbots als error iuris criminalis straf- 
bar ist1) (so bereits BayObL G. vom 28. Januar 1915, 
Beibl. BayIMBl. 1915 S. 27, im Ergebnis überein- 
stimmend Bovensiepen, L3B. 1915 S. 815). Wohl 
aus Billigkeitserwägungen, vielleicht auch, um den schroffen 
Gegensatz zu dem Reichsgericht bei der Anwendung eines 
und desselben Gesetzes zu mildern, hat das BayObL G. 
bereits in einem Urteile vom 29. April 1915 (Beibl. 
JIMBl. S. 135 ff., besonders S. 140) ausgesprochen, daß 
die unverschuldete Unkenntnis einer Vorschrift einen 
Schuldausschließungsgrund bilden könne. Noch schärfer 
hat es in dem gleichen unter a 2 zum Teil abgedruckten 
Urteil, in dem es dem Reichsgericht entgegentritt, die Auf- 
fassung vertreten, daß die Frage überhaupt nur nach dem 
besonderen Inhalt des Kriegszustandsgesetzes= beantwortet 
werden könne. Dementsprechend hat es, mit Rücksicht 
darauf, daß die Vorschriften des obersten Militärbefehls- 
fabers außerordentliche Maßnahmen sind, die häufig ein 
onst erlaubtes Tun ausnahmsweise verbieten, ohne daß 
die Umstände und besonderen Verhältnisse, die zu der Aus- 
nahmebestimmung führten, dem einzelnen selbst bei An- 
wendung aller gebotenen Sorgfalt und Aufmerksamkeit 
erkennbar wären, die ausnahmslose Anwendbar- 
keit des Grundsatzes, daß ein Irrtum über das Straf- 
gesetz unbeachtlich sei, verneint. Das gleiche hat nun zu 
gelten, wenn ein Irrtum über den Inhalt und die Trag- 
weite einer Vorschrift in Frage kommt. „Selbstverständ- 
ich kann demgemäß auch hier nur ein völlig unver- 
schuldeter Irrtum, der nach den besonderen Verhältnissen 
Lchmietse JIW. 1915 S. 1226 Anm. 4, Frank, 
W. 1916 S. 440. Z 
1) Es ist aber vielleicht von Interesse, was bisher noch 
nirgends beachtet wurde, daß der Regierungsvertreter 
Geh. Rat Scherer in der Sitzung der II. Kammer 
vom 1. April 1851 (aaO. Sten Ber. S. 791) erklärt 
hat . .. „ein Verbot ... welches übertreten, und zwar 
mit Bewußisein übertreten werden muß, weil überhaupt 
das Bewußtsein zur Strafbarkeit gehört".
	        
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