38 B. Gesetz über den Belagerungszustand.
III. Bestritten ist, was man unter einem Aufrühr im
Sinne des § 2 zu verstehen hat, vor allem, ob der Gesetz-
geber damit den strafrechtlichen Begriff gemeint hat.
Dieser hat seit Erlaß des B3Z.-Gesetzes mehrmals ge-
wechselt. Damals galt das Strafrecht des ALR., 12 Tage
nach Inkrafttreten des Belagerungszustandsgesetzes aber
(das gemäß Gesetz vom 3. April 1846, betreffend die
Publikation der Gesetze, am 18. Juni Wirksamkeit er-
langte), am 1. Juli, trat das neue preußische Strafgesetz-
buch vom 14. Mai 1851 in Kraft. Während ersteres
Aufruhr schon dann annehmen ließ, wenn eine erhebliche
Gefährdung für die öffentliche Sicherheit noch nicht ge-
geben war, näherte sich letzteres (§ 91) hinsichtlich seiner
Tatbestandsmomente dem § 113 des geltenden Reichs-
strafgesetzbuches. Dort ist der Aufruhr in den §§ 113,
114, 115 umschrieben.
a) Ihn wollen Groschusf S. 88, Hänel
S. 435, Ebermayer S. 369 in übereinstimmung
mit der preußischen Alerhöchsten Dienstvorschrift vom
19. März 1914, betreffend Waffengebrauch usw., ohne
weiteres dem Aufruhrbegriff in § 2 hier substituieren.
b) Ich bin der Ansicht, daß eine derartige authentische
Interpretation eines älteren Gesetzes (und noch dazu —
jedenfalls bei seinem Erlaß — Landesgesetzes!) mur•h
ein neues (Reichs-) Gesetz nicht angängig ist. (Ahnli
Haldy S. 49, dessen Aufruhrbegriff „eine (jedes) sich
gegen dei Staat richtende Handlung" aber maßlos weit
ist. Denn der Staat kann nur in einem seiner drei
Elemente Staatsgebiet, Staatsgewalt, Staatsvolk ge-
troffen werden. Sollte jede Handlung gegen eines dieser
aber schon genügen? Außerdem kann Aufruhr, was aus
der Definition nicht hervorgeht, auch nicht von einer
Eiwelperson ausgehen.) Eine Begriffsbestimmung gibt
aber auch nicht die ältere preußische Tumultgesetz-
gebung (kgl. Verordnungen vom 30. Dezember 1798,
17. Junst 1835; s. Reichelt, Verwaltungsgesetzbuch
für Preußen, 1914, S. 451/52), auf die zurückzugehen
näher liegt. Wohl aber kann gesagt werden, daß ein
höherer Grad tumultarischer Zustände, eine stärkere
Störung des inneren geordneten Staatslebens in dem
davon betroffenen Staatsgebietsteil, die ein, nicht un-