Wie viele neue Kräfte waren dem Offizierkorps, waren durch
die allgemeine Wehrpflicht den Truppen zugeführt worden,
welche ganz andere Auffassung vor allen Dingen von dem
Wesen einer Armee begann nunmehr in den breitesten Kreisen
des Volkes mit jedem neuen Jahre mehr Wurzel zu fassen!
Und der Austausch von Offizieren, namentlich die häufige
Verwendung sächsischer Offiziere zu preußischen Kommandos
sicherten in erstaunlich kurzer Zeit den organischen Zusammen-
hang des neuen Bundesarmeekorps mit seinen neuen Waffen-
brüdern. Nachdem sich in einem mehr als zweihundertjährigen
Zeitraume die sächsische Armee ganz selbständig entwickelt hatte,
war es von Haus aus schwer, sich in das Neue hineinzu-
finden. Aber die Einsicht und Vaterlandsliebe aller, des Offiziers
wie des Soldaten, das vom Ersten bis zum Letzten obwal-
tende Gefühl, daß man es mit einer geradezu sittlich zu
nennenden Notwendigkeit zu thun habe, erleichterten den Über-
gang aus den alten in die neuen Formen. Vor allem aber
war es die nunmehr erst auf ihren Platz gestellte Feldherrngabe
des Kronprinzen Albert, die allenthalben das Werk förderte,
materiell, technisch, moralisch, wie und wo es immer der Zeit-
punkt und die Lage erheischten. Wie hätte ein solches unermüd-
liches und segensreiches Wirken den Augen des obersten Kriegs-
herrn verborgen bleiben können! Am 2. September 1868
traf König Wilhelm wieder in Dresden ein, um die Parade
und das Manöver der 1. Infanteriedivision Nr. 23 und der
ihr zugeteilten Kavallerie und Artillerie abzunehmen. Die
Schlußworte seiner Kritik: „Beide Tage haben mir den
Eindruck gewährt, daß die Truppen der 23. Division in
diesen, ihnen neuen Formen eine sehr gute Grundlage ge-
wonnen haben und auf derselben vorgeschritten sind. Das
heutige Feldmanöver muß ich sowohl in der Anlage, als in
der Ausführung, als sehr gelungen bezeichnen“, sie galten
vor allem dem Kronprinzen und dessen unermüdlichem Eifer
für die Ausbildung seiner Truppen, galten auch seinen berufs-
tüchtigen Mitarbeitern. Und diese Worte kamen aus dem
Munde eines 72jährigen Greises, der als Jüngling die Be-
freiungskriege mitgemacht und als Greis denselben Truppen
gegenüber gekämpft hatte, die heute mit Ehrerbietung und
Vertrauen sich seinem Befehle unterordneten.