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standes befördert. Je stärker sich die ländliche Bevölkerung mehrte, und
je mehr allgemach auch in den Städten, namentlich im Westen Deutsch-
lands, ein industrielles Bürgertum emporkam, um so mehr drängte
eine solche durch die ganze Lage des Reiches erklärliche Entwickelung
auf Erhaltung des allgemeinen Friedens. Aber die Züge des Kaisers
nach Italien, die Kämpfe an der Nord-, Ost= und Westgrenze, die
damit zusammenhängende Ausbildung des Lehnsadels, die Sucht der
partikularen Gewalten, auf Kosten des Ganzen oder des Nachbars an
Macht zu gewinnen, alles das wirkte der Erhaltung des Friedens
geradenwegs entgegen. Kriegerischer Raub füllte die Kisten und Keller
der Sieger und ließ den fleißigen Bauer und auch den Handwerker
und Kaufmann in der Stadt verarmen. Daraus erklärt sich die hohe
Sympathie, die Heinrich IV. allenthalben im Reiche bei den unteren
Ständen genoß, seitdem er von 1083 an mit immer erneuter Energie
den Landfrieden durchführte; daraus erklärt sich aber auch der immer
wachsende Haß, den der kriegerische Adel auf den Mann warf. Beide
Umstände kommen ganz klar zum Ausdrucke in einer Biographie
Heinrichs IV., die ein Unbekannter, aber ein treuer Anhänger des
Kaisers, bald nach dessen Tode (1106) verfaßt hat. Er ist natürlich
für seinen Helden eingenommen, aber gerade die uns interessierende
Stelle nimmt auf offenbar allgemein Bekanntes Bezug und darf darum
im vollen Umfange geglaubt werden: „Auf daß überall Frieden und
Ruhe würde,“ so berichtet der unbekannte Autor, „rief der Kaiser die
Fürsten zu einem Hoftag und stellte, um das Böse, was geschah, zu
verhindern, eine schwere Strafe für die Übertreter fest. Und diese
Friedensverfügung war den Armen und Rechtschaffenen ebenso förder-
lich, wie sie den Schlechtgesinnten und Mächtigen hinderlich war.
Jenen brachten sie Überfluß, diesen Dürftigkeit und Hunger. Denn
die, welche bisher ihr Gut an Reisige verschleudert hatten, um von
recht vielen solchen begleitet einherfahren zu können und anderen an
Menge der Gerüsteten überlegen zu sein, diese litten jetzt Not, nach-
dem ihnen — mit ihrem Verlaub sei es gesagt — die Erlaubnis zum
Plündern genommen; in ihren Kellern wohnte Mangel und Hunger“
u. s. w. Man sieht, daß sich die unteren Stände auf ein Kaisertum
angewiesen sahen, das den Landfrieden zu handhaben wußte. Un-
zweifelhaft würde bei einem weiteren friedlichen Fortgange dieser neuen