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zu vernichten, so daß er die Feinde mehr durch den Hunger als durch
die Schärfe des Schwertes bezwang. Aber auch in Thüringen und
dem östlichen Franken herrschte damals Hungersnot in einem Grade,
der uns heute bei unseren Verkehrsverhältnissen wohl nie bekannt
werden dürste. Nach dem reichen Kloster Fulda kamen meilenweit
die armen Hungrigen. Von einer Frau weiß der Fuldaer Annalist zu
erzählen, die gerade noch die Schwelle des gastlichen Klosters erreichte,
um dann hungererschöpft tot zusammenzubrechen; an der Brust aber
der Elenden saugte noch ein darbendes Kind. Auch von einem Manne
erzählt er, der mit Weib und Kind aus dem Grabfeld, dem großen
Gau östlich von Fulda zwischen dem Thüringerwald und dem Ober-
main auswanderte, um in Thüringen sein Brot zu suchen, unterwegs
aber, vom Hunger bis zum Wahnsinn geplagt, den Entschluß faßte,
das Kind zu töten und aufzuessen; als er es aber abseits führte, ge-
wahrte er zwei Wölfe, die an einem von ihnen erlegten Hirsch nagten;
die vertrieb er mit demselben Schwerte, das er gegen des Kindes
Kehle gezückt hatte, und hatte nun für sich und Weib und Kind Speise
in Fülle. — Teils in Person, teils durch seine Söhne, insbesondere
den jüngeren Ludwig, setzte der Kaiser in den Jahren 856, 857, 858,
869, 872 die Kämpfe gegen die Slaven fort und man erkennt deut-
lich, wie sich allgemach der deutsche Einfluß weiter nach Osten vor-
schob. Überdies sieht man auch, daß das Slaventum in seiner Ge-
samtheit auf die vorschreitende Gefahr aufmerksam wurde; denn nicht
mu gegen die Sorben oder gegen die Abodriten u. a. wird gekämpft.
sondern in Verbindung mit den Sorben erscheinen die Böhmen auf
der Wahlstatt und mit ihnen wiederum die Mähren; der Kampf ums
Dasein ist auf der ganzen Linie eröffnet.
Am 1. September 873 starb Thakulf; das dankbare Gedenken
des von ihm reichbeschenkten Fuldaschen Klosters hat unferem Wissen
diesen Tag so genau bewahrt. Es zeugt für die Tüchtigkeit des Mannes
und für sein Ansehen bei den Slaven, daß sofort auf die Nachricht
seines Todes die Sorben und die zwischen Elbe und Mulde in der
Dübener Gegend sitzenden Siusler sich wider die deutsche Herrschaft
empörten. Aber in Radulf war Thakulf schon ein Nachfolger gesetzt
und dieser unterdrückte in Gemeinschaft mit dem Erzbischof Luitpert
von Mainz die Empörung im Januar 875, wiederum mehr durch