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Domherren waren in Meißen im allgemeinen nicht groß; man suchte
sie dadurch aufzubessern, daß Pfarreien bleibend oder vorübergehend
mit Kapitelstellen verbunden wurden; die Einkünfte davon flossen in die
Tasche der Domherren, deren Arbeit durch einen dürftig besoldeten
Vikar besorgt wurde. So waren die Propsteien der Kollegiatstifter,
d. h. der nicht bischöflichen Kirchen zu Wurzen, Bautzen, Großenhain
und die Archidiakonate in Nisan und der Niederlausitz mit Domherren=
stellen in Meißen verbunden.
Wissenschaft und Bildung. Schulwesen.
Der geschilderte Charakter der Geistlichkeit konnte der Entwicke-
lung der Wissenschaften unmöglich günstig sein. Wenn sich auch
bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts ein ziemlich hoher Grad gelehrter
Bildung unter der Geistlichkeit verbreitet hatte, so riß von da an
immer mehr Roheit und Unwissenheit im geistlichen Stande ein,
während die Laien anfingen, zu selbständiger Bildung vorzudringen
und allmählich sich auch in der Litteratur geltend zu machen. Die
Rechtlosigkeit und Anarchie, welche die Geistlichkeit durch ihren an-
dauernden Kampf gegen die weltliche Obrigkeit allenthalben zu Wege
gebracht hatte, traf in gerechter Vergeltung niemand schwerer als ihre
Urheber; in den unaufhörlichen Kämpfen, die das Reich und auch
die thüringischen und meißnischen Lande durchtobten, verdrängte in
Stistern und Klöstern die Notwendigkeit kriegerischer Gegenwehr die
gelehrte Thätigkeit und die höhere Bildung, der die Geistlichkeit ihr
moralisches Übergewicht zum großen Teil verdankte. In Merseburg
entstand 1136 eine zwei Jahrhunderte später fortgeführte, im übrigen
nicht sehr reichhaltige Bistumschronik, dann um die Mitte des
Jahrhunderts eine Lebensbeschreibung des Bischofs Wernher von
Merseburg, der am Ende des 11. Jahrhunderts lebte, endlich die
Biographie Lamberts, des ersten Propstes der regulierten Chorherren
des Klosters Neuwerk bei Halle. Dort fanden auch die Gebeine des
heiligen Alexander eine Stätte, nachdem sie von Magdeburg 1124
dorthin überführt worden waren; diese Überführung wurde 1146 von
einem Mönche des Klosters beschrieben. — Von der Blüte Pegaus,
namentlich unter dem Abte Windolf (1101—1150) ist ebenso die
Rede gewesen, wie von dem Verfalle der Zucht schon am Ende des