— 521 —
Parcival, ein Zeitgenosse Walthers von der Vogelweide und Her-
manns I. von Thüringen, des Schreibens unkundig war und sich
darum eines Schreibers bedienen mußte. Von jenem Friedrich von
Goseck wird ferner berichtet, daß er um 1055 auf Eseln eine Reihe
von Codices (Buchhandschriften) habe herbeibringen lassen; die an-
gegebenen Titel als: Moralien, das Buch Hiob, ein Passionale,
d. h. eine Sammlung von Legenden über die Passion oder das Martyrium
gewisser Heiligen, beweisen den durchaus kirchlichen Charakter dieser
kleinen Bibliothek. In Merseburg wurde 1007 von Bischof Wig-
bert der Grund zu einer Büchersammlung gelegt, im 12. Jahrhundert
soll mit der Sammlung der meißner Stiftsbibliothek der Anfang
gemacht worden sein. Bei der Gründung von Altenzelle wurde den
von Pforta dahin übersiedelnden Mönchen die notwendigsten Bücher
für Messe und Gottesdienst gleich mitgegeben. Doch hat man auf
Vermehrung dieses Stammes bald Bedacht genommen, und zwar
mehr durch Ankauf als durch eigenes Abschreiben, was sonst das
Gewöhnliche war. Noch sind Bücher vorhanden, bei denen sich nach-
weisen läßt, daß sie im Laufe des 13. und 14. Jahrhunderts in das
Stift gekommen sind. Unter den nach Aufhebung des Klosters durch
Herzog Moritz im Jahre 1543 an die Universität Leipzig gelangten
Handschriften ist die vorzüglichste ein Traktat des heiligen Gregor
(Papst von 590—604) über den Propheten Ezechiel; sie stammt aus
dem Anfange des 13. Jahrhurderts und die Bibliothekseinzeichnung
von Zelle weist den dieser Zeit entsprechenden Schriftcharakter auf. Auf
der Rückseite des ersten Quartblattes befindet sich eine Miniatur, den
heiligen Gregorius darstellend, wie er einem Schreiber diktiert, der in
der rechten Hand eine Feder, in der Linken einen Pinsel hält. Die
Anfangsbuchstaben sind bunt gemalt mit Vergoldung, die sonstige
Schrift ebenfalls sehr schön und klar. Die Seltenheit und Kostbarkeit
solcher Bücher veranlaßte wohl deren Entwendung oder Beschädigung
durch Ausschneiden von Blättern und Buchstaben. Gegen solchen
Unfug wurden sogar päpstliche Verdammungsbullen erlassen, und häufig
finden sich am Anfang oder Schluß von Handschriften Verwünschungen
gegen derartige Sünder, wie in einem Zellischen Pfalter:
Non videat Christum, qui librum recipit istum.
(ONicht soll den Heiland schaun, wer dies Buch wagt zu entwenden.)